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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Freitag, 27. August 2010

Goldegger Selbstgespräche: Der beste Fleck der Welt.

Den besten und schönsten Fleck der Welt finde ich auf der Terrasse des Seehofs in Goldegg. Es ist ein Zwetschkenfleck. Einmal gefunden, sofort gegessen. Schellhorn lässt den Fleck mit Mürbteig anfertigen, wodurch er mehr an Höhe, aber auch an Delikatheit gewinnt. Die Zwetschken als solche liegen nicht flach auf dem Teig, sondern fast stehend, sich entfaltend in der Welt der Jausenkaffees und Seeterrassen. Der Zwetschkenfleck beim Zauner in Ischl stinkt dagegegen lächerlich ab, zu süß und zu klebrig den vom Ratzka in Salzburg memoriere ich gerade nicht. Heute abend gibt es geschmortes Schulterscherzel, in Barolo, vorher Tatar vom Pinzgauer Rind. Dazwischen vielleicht, aber nur vielleicht, ein kleines Hirn, damit ich etwas habe, was mir zu denken gibt. Einer der Gründe für meine Goldegger Erfrischung ist nicht nur der kleine, herzige Moorsee (Sepp Schellhorn hat das Fischrecht. Huchen und Saiblinge sind herrlich frisch und gut.), sondern die Küche unter dem jungen Andreas Pointner (ich erwähnte den Namen schon in dem Zusammenhang), der aus einer Bauernfamilie kommt, was seinem kenntnisreich Umgang mit dem Pinzgauer Kalb sehr förderlich ist. Ob Vitello tonato, ob gebratenes Kalbskotelett, ob gefüllte Kalbsbrust, ob Leber, ob Bries mit Heu geräuchert und Lauch, oder einfach nur gebacken und natürlich das Hirn (kann man in Wien nur beim Eckel essen und sicher sonst nirgendwo). Wenn sich die Gäste gut benehmen und brav ihre Dirndeln und Jopperln anziehen, gibt es frische Rehleber mit Steinpilzen, Thymian und Butter, einfach so, und man lässt nicht ein Molekül zurückgehen. Das Wiener Schnitzel zählt zu den besten ever. Und das Sensationelle daran: es wurde weder von Pointner und seinen Jungs und auch nicht von Sepp Schellhorn selbst gebacken, sondern von Rosemarie Etzer, einer einfühlsamen Sommeliere. Sie servierte es mir lebenserhaltend gegen Mitternacht, als ich erschöpft und hungrig nach ein paar Stunden auf Kolonos in Goldegg mich in den Seehof rettete. Dazu gab es Braterdäpfel der Qualitätsstufe Eins Plus und nachher ein paar Gin Tonics "Queen Mum." (ar)

The Grape. Für Jedermann. Und auch wieder nicht.

Salzburg ohne Jedermann. Das geht eigentlich nicht. Doch es geht. Es muss gehen. Jedermann geht nicht ins The Grape, der neuen Weinbar von Alexander Adlgasser, einem kosmopolitischen Weinfreak im französischen genauso wie im New Yorker Gewand. Hier hat er eine kleine Bühne, wo es das, was Jedermann auch gerne trinkt, bevor ihn Ben Becker und der Teufel holen. Herr Ofcarek ist ja kein Feind eines guten Papperls, wie man weiß. War er schon hier? Dann hat er wahrscheinlich auch vom Billecart Salmon Rosé probiert, einem hochrankingen, also in den Rankings vorne gereiten, Roséchampagner. Dazu wären kleine Tapagläschen zu öffnen, von Jörg Wörther ausgedacht und abgefüllt. Glas ist doch eigentlich cooler als Cones, denke ich und denke an die herrlichen Zeiten in Prielau. Noch ein Rosé. Sie schauen dich schön und gut an, die Edlen aus Bordeaux, die Gruad Laroses, die Montroses, die Figeacs, die Maucaillous, die Pichons ... Man wäre hier auch für eingehende Verkostungen eingerichtet, schöne Tische, bekömmliche Lederstühle. Sehr dem Überlegen dienlich auch die Klimaanlage während der Sommermonate. Im Winter wird es mit der Heizung ähnlich sein. Und wann kommt der erste Patriot und schreit: "Wos, Ausländische Weine? Wir san Eesterreicha! Hoben's kan Zweigelt?" (ar)

Goldegger Selbstgespräche: Mit dem Bauch denken.

Nicht immer mit dem Kopf, auch einmal mit dem Bauch denken. Das sagen doch die Fengshui-Lehrer und die Yogis. Ich versuche es ja. Und bemerke auf einmal voller Freude: es geht. Wenn man ein bißchen Hilfe kriegt. Zum Beispiel serviert mir der talentierte und von Sepp Schellhorn bestens eingewiesene Andreas Pointner im Seehof frisches Kalbshirn mit Ei und Eierschwammerl. Auf dem heißen Hirn sitzt ein Eidotter und schaut dich mit seinem Eidotterauge an. Ein roher Dotter? Hilfe, sagt der Hilfsgast. Der Augenblick der Schöpfung (Tag sechs) dauert nur ein paar Sekunden, während der ich den frischen Dotter mit dem heißen Hirn mische. Ich esse. Schmeckt wie ausgedacht. Also ausgezeichnet. Und schon fühle ich. Es denkt in meinem Bauch. Empathie für die Menschen, für die Welt, auch eine Art von Verständnis für die Wespen, die mir auf der Terrasse den Zwetschkenfleck wegessen. Grenzenlose Bauchgedanken. Das Kalbshirn arbeitet. Spinnt seine Gedanken, entwirft Gedankengebäude. Gebäude, in denen die Menschen glücklich sind, guten (und nicht auf österreichische Art überteuerten )Wein trinken, kluge Gespräche führen, niemals fernsehen und denen es keine Deppen und auch keine Steuerprüfungen gibt. Leider sind Gedanken flüchtig. Deshalb brauche ich bald mehr vom Pointnerschen Kalbshirn. Gebacken vielleicht? Und ein Stück Leber noch dazu? Denken Sie einmal darüber nach. (ar)

Dienstag, 24. August 2010

Rimini?




Nein, Rimini muss ich nicht wirklich haben. OK die Altstadt ist schöner als ich mir gedacht habe, aber die „Beach-Area" muss ich definitiv nicht haben. Was ich allerdings immer wieder haben möchte, ist ein Abendessen wie im Ristorante Oberdan. Eine Vorspeisenvariation aus verschiedenen Zubereitungen von Octopus sowie marinierten Sardinen, Octopus so zart, wie ich ihn selten genossen habe. Als Primi Ricotta-Ravioli an einer kräftigen Tomaten-Wolfsbarsch-Soße, wunderbar. Einzig die Hauptspeise, ein Rombo alla griglia, war dann doch nicht so fangfrisch wie erhofft. Allerdings meilenweit davon entfernt, wie er in den meisten Fällen aufgetischt wird. Dazu eine Flasche Terre Alte von Livio Felluga, was braucht man mehr. Vielleicht fahr ich doch wieder für einen Abstecher nach Rimini. (sf)

Ristorante Oberdan
Via destra del Porto (ang. C. Colombo)
47900 Rimini
T: +39 (0)541 27 802

Wohnen:
Hotel Duomo
(Ein Design-Hotel, das seinem Namen entspricht – Ron Arad hat hier ein kleines Juwel geschaffen)
Via Giordano Bruno, 28
47900 Rimini
T: +39 (0)541 24215

Samstag, 21. August 2010

Ein Ort der Behutsamkeit.




Ja es gibt sie noch die Orte der Behutsamkeit. Das Hotel Waldhaus in Sils-Maria ist einer der wenigen Orte, wo man sich aufs Angenehmste zurückziehen kann. Der zuvorkommende und unaufdringliche Umgang mit dem Gast ist genau so, wie ich mir das wünsche. Die Architektur des über hundert Jahre alten Hotels zeichnet sich durch sanfte aber zeitgenössische Interventionen aus. Kein Design im Sinne des schon inflationären „Designhotels“, sondern ein ausgewogener Mix aus Tradition und Moderne. Auf gut deutsch einfach entspannt. Der rote Faden zieht sich bis hin zum gastronomischen Konzept, Kurt Röösli und sein Team arbeiten vorwiegend mit Zutaten aus der Region. Es ist erstaunlich, in welcher Präzision die Menus für die große Menge an Halbpensionsgästen auf den Tisch kommen. Zum Beispiel ein perfektes Risotto mit einem präzise gegarten Kalbsbraten serviert mit einer köstlichen Parmigianina. Begleitet werden die abendlichen Perfektionen durch wunderbare Weine, auch hier eine große Auswahl an Regionalem, seien es wunderbare Bündner Pinots, Nebbiolos aus dem benachbarten Veltlin oder aber einer großen Auswahl an Weinen aus zum Teil autochthonen Rebsorten des Wallis. Ein einziger Ausrutscher gab es allerdings, ein Abendessen im à la carte Restaurant des Hauses, hier war die „Suppe“ etwas dünn, oder ob der sonstigen Perfektion meine Erwartungshaltung einfach zu groß. (sf)

Hotel Waldhaus
7514 Sils-Maria/St. Moritz
T: +41 081 838 51 00

Mittwoch, 11. August 2010

Die Bellinisituation.





Machen wir uns nichts vor. Ob der Sommer jetzt schon vorbei ist, ob er gerade im Gehen ist oder wieder im Kommen, ist egal. Der beste Drink des Sommers ist der Bellini. Da können alle Camparisodas und Aperolspritze einhändig durchs Land hüpfen und Verdichöre singen, es ändert doch nichts. Natürlich gibt es den besten Bellini in Harrys Bar. Das nützt mir aber wenig, da ich nicht täglich nach Venedig auspendeln kann, obwohl der Gedanke, täglich nach Venedig auszupendeln ... In Österreich ist die Situation des Menschen, der Durst auf einen Bellini spürt, knifflig. Ich sage es so: es gibt einige ehrenwerte Versuche, doch scheitern sie schon meistens beim Glas. Bellini trinke ich (und damit stehe ich nicht alleine an der Bar) gerne aus einem sich leicht nach oben öffnenden, kleinen Wasserglas, nicht aus einem Glas mit Stil. Nur im Taubenkobel haben sie das erkannt und servieren den Bellini in einem stillosen und also stilistisch passenden Glas aus dem Hause Riedel. Der Bellini bei Eselböcks wird im Sommer höchstens noch getoppt vom Bellini, den Maitre Roland Neulinger im Salzburger Carpe Diem servieren lässt. Aus einem Weißweinglas gehört er, damit man dem cremeusen Eindruck aus Prosecco (und nicht Moet, wie man in der Bar vom Goldenen Hirschen glaubt) und weißem Pfirsichmus vollkommen erliegen kann. Ich bestelle dann gleich einen Doppelten. Für den Anfang. (ar)


Montag, 9. August 2010

Kitzbühel ohne Fiona, zwei.





Natürlich begegnet der gelernte Österreicher einer harmlosen russischen Milliardärin, die sich hier zum Spaß ein Hotel baut, erst einmal mit Häme und Spott. Das Interieur gefällt ihm nicht und alles wirkt auf einmal zu groß, zu reich und überhaupt. Ich sage aber: mir gefällt es! Ich mag die Großzügigkeit der Zimmer, so weitläufig, dass man beim Abschreiten der Räume und Suiten ruhig die Trekkingschuhe anlegen kann. Und so frei von Alpenschnickschnack, dass es eine Wohltat ist. Und den Geruch von Holz, der die ganze Anlage wie ein edles Parfum durchströmt, den mag ich auch. Er erinnert mich, dass die Berge nah sind. Doch besonders schätze ich die Anwesenheit von Bobby Bräuer in der Küche. Ich erhole mich mithilfe einiger Kleinigkeiten - und Weinflaschen - von den Eindrücken des Kitzbüheler Jahrmarkts und seiner Besucher. Bobby Bräuer ist kein Freund des Herumgefiesels am Teller und damit sind wir schon zwei. Eine Idee und ein Produkt im Mittelpunkt. Und: keine Angst vor den edlen Dingen, die immer noch Spaß machen, wenn ein guter Koch sie in die Pfanne haut. Oder unter den Salamander legt. Oder im Fond pochiert. Ein Bries vom Milchkalb aus dem Nachbarort als Amuse Gueule, eine perfekte Gänseleber in einer Kombination mit Stachelbeeren von erfrischender Säure, traumwandlerisch sicher abgeschmeckte Saucen. Felsenrotbarben trifft man selten in den Tiroler Alpen. Dieser Fisch verzeiht es nicht, wenn man ihn auch nur ein paar Stunden zu lange transportiert oder lagert. Bobby Bräuer serviert uns die kleinen Zicken aus dem Meer mit Tomatenfondue und einer kleinen Sensation: Calamari. Dass die kleinen Gummireifen auch schmecken können und wie, das wußte ich gar nicht. Bräuer hat's mir gezeigt. Volles Aroma voraus. Und dann noch die Taube aus der Bresse mit Kumquats und gestocktem Karottenmus. (Hier eine der wenigen Produkte der Molekularküche, die Bestand haben werden: eine Geliertechnik, die Flüssigkeiten bei Erwärmung fest werden lässt.) Und das göttliche Topfensoufflé. Und die Lady mit dem Dessertwagen. Die Weine, die wir dazu getrunken haben, erwähne ich jetzt nicht. Ich will nicht, dass Sie mich vor Neid zu hassen beginnen, und nie wieder in diesen Blog einsteigen. (ar)

Petit Tirolia im Grand Hotel Tirolia
Eichenheim 8
Tel.: 05356/666 158 21

Die gute Quelle










































































































Kitzbühel ohne Fiona, eins.

Quellenforschung: Nicht die Almwasserquellen sind es, hinter denen wir her sind, sondern die Fressquellen des besten Greisslers der Welt, des Urbanek am Naschmarkt, der ab heute wieder aufgesperrt hat. In Kitzbühel gehen wir zum Fuchs, einem begnadeten Metzger und mehrfach preisgekrönten Würstemacher. Beim Fusch kaufen wir eine Semmel mit dem besten Schweinebauch (in Wien Kümmelbraten) der Welt um 1,40, die am Naschmarkt schon einmal 10,40 kosten kann, was beweist, dass bei Nahrungsmitteln der größte Teil des Wertschöpfungsprozesses nicht beim Produzenten, sondern während des Transportes stattfindet. Liebe Urbaneks, verzeiht uns diese kleine Einlage. Zurück zum Fuchs, der auch geniales Kalbfleisch, Rehitz, Lamm oder Gamswürste, Hirschwürste, Speck feilbietet und sogar einen anständigen Shrimpssalat. Nach der besten Sausemmel des Universums braucht man einen Drink. Hierfür eignet sich die Bar des so genannten Chizzo neben dem Stadttor, wo Freunde immer die besten Stammplätze bereitgestellt bekommen und ich einen Drink kreiert habe, den Sie ab jetzt dort bestellen können: zwei Teile Campari, ein Teil Aperol, guter Prosecco, ein Schuss Soda, Zitronenscheibe. Samstags war Jahrmarkt in Kitzbühel, ein Pflichttermin für Menschenbeobachter, und weil es regnete, saß ich da, nahm einen oder zwei dieser Drinks und beobachtete die Menschen. In einem klobigen Grill (mit Gas) machten sie einem Spanferkel mit unverdaulicher Haut den Garaus und nachher noch einmal, indem sie es mit süßen, also sinnlosen, Senf, servierten. Der Mann am Grill fiel mir von Anfang an auf. Wie er mit dem Schwein hantierte. Ich kriegte Mitleid mit dem armen toten Schwein und dem armen Schwein am Grill, aber auch ein bisschen Wut. Der Mann (Brille, Igelfrisur) bewegte sich auffallend langsam wie in einer Art Trance. Er verstand die Sprache der Einheimischen nicht (einheimisch: Kitzbüheler und Münchner). Und dann wurde mir klar: der leicht kuhartige Gesichtsausdruck des jungen Mannes konnte nur bedeuten, dass in seinem Hirn hochkomplexe Vorgänge stattfanden, die für solche Banalitäten wie Mimik, Bewegung oder Semmeln aufschneiden keinen Platz ließen. Wahrscheinlich arbeitete er seit Monaten an einer schwierigen Sache und wurde, damit er nicht vollkommen die Bodenhaftung verliert, für diesen Nachmittag von seinem Arbeitgeber quasi zur Erholung zum Schweinssemmelmachen geschickt, vermutete ich. Denn es gibt wenig, was der Ausübung eines nur für Spitzenhirne geeigneten Denkberufs so entgegengesetzt ist wie der des Sausemmelmachers am Kitzbüheler Jahrmarkt. Und es wurde mir schlagartig klar: das CERN unterhält in Kitzbühel eine Außenstelle. Und ich erkannte: Es müssen hunderte Mitarbeiter sein. Allesamt Spitzendenker, Geistesgiganten, die an diesem Samstag zur Erholung draußen waren. Ihre Gesichter und Bewegungen waren alle gleich. Ihre Gehirne über hundert Prozent beansprucht von ihren Projekten! Keine Zellen mehr frei für die Koordinierung der Gesichts- und anderen Muskeln. Und niemandem außer mir fiel es auf.


Samstag, 7. August 2010

Basta mit Pasta?




Die Woche begann mit einem Pasta Super-GAU und endete mit einem Highlight. Wieso muss das Einfache zum Luxus werden. Montag mittags bestellte ich mir beim Italiener ums Eck eine Portion Spaghetti aglio olio, in der Hoffnung nicht beleidigt zu werden, es kam anders. Irgendwie angebrannt schmeckender Knoblauch, der den geschmacklichen Vergleich zu einem alten Fetzen nicht scheuen braucht, mittelmäßiges eher geschmacksneutrales Olivenöl und als Krönung weiche Spaghetti, das Ganze garniert mit reichlich Petersilie (OK die ist meine Privatfeindin, konnte der Koch ja nicht wissen). Das wars dann. Zum Glück gab es dann am Freitagabend Linguine Puttanesca in Perfektion. Aus besten, sehr süßen Tomaten und allem was dazugehört, von nichts zu viel von nichts zu wenig, einfach wunderbar. Auch dies ein einfaches Gericht, wo man meinen könnte, der ums-Eck-Italiener müsste es zustande bringen. Leider war dem nicht so. Den Luxus des Einfachen gönnte ich mir bei Fabios. Heißt das jetzt entweder Topgastronomie oder Selberkochen? Wenn ich keine Lust auf „alte Fetzen“ oder Ähnliches habe, wird es das wohl heißen. (sf)

Fabios, Tuchlauben 6, 1010 Wien, Austria, +43-1- 532 22 22, www.fabios.at

Freitag, 6. August 2010

Wo ist die Jakobsmuschelklatsche?




Wie den emsig herumfliegenden Stubenfliegen in dem schmucken Häuschen, das ich gerade in Kitzbühel benutzen darf, mit einem Prospekt des See Restaurants Saag, der sich als Fliegenklatsche eignet wie auch zur Lektüre des herrlichen Rezepts von Spitzenkoch Hubert Wallner (Flußkrebse mit Saiblingskaviar), würde ich gerne auch den Jakobsmuscheln in den heimischen Restaurants zu Leibe rücken. Warten, bis sie - wie die Fliegen - auf dem Tisch Platz genommen haben. Ausholen, zack, tot! Doch erstens sind diese Muscheln ja schon lange, viel zu lange tot, wenn sie auf unseren Tischen Platz nehmen, und zweitens macht das mit der Klatsche viel zu viel Dreck, mehr als eine tote Fliege, und drittens will ich sie vor allem nicht durch Aufessen von dieser Welt in eine andere .... Deshalb hier mein - ich muss sagen: wiederholter - Appell an die Damen und Herren Köche und im Besonderen an den Küchenchef der "Tenne" in Kitzbühel: Lasst es doch bitte sein. Drückt den Gästen nicht immer diese blöde, blasse Muschel rein. Es braucht sie keiner, und es will sie auch keiner. Und wenn sie doch einer will, dann soll er hier jetzt gleich kommentieren.

Sehen Sie ... keiner will sie. (ar)

Doppler am Wörthersee.

Der Doppler war der Bösewicht meiner Jugendtage. Er war Darth Vader, Mephisto und Dr.Marbuse in einem. Er war das schlechteste, was die Heurigenwirte in meinem Heimatort in Flaschen gießen konnten. Und sie hatten viel schlechtes abzufüllen, das Weinmachen war, anders als sie es von sich dachten, eine ihrer größten Schwächen und keinesfalls ihre Stärke. Der Doppler vom Heurigen war die Antithese zur Trinkkultur, die man damals, und das ist bei Gott nicht lange her, denn so alt bin ich nämlich nicht, nur aus dem Ausland kannte. Und auf einmal war er weg. Vergessen. Die Gebinde höchstens als Aufbewahrungsort für den Sturm im Herbst, für selbst gemachte Hollundersäfte oder als rustikale Blumenvasen verwendet. Hatten sich die Doppelliterflaschen das verdient? So richtig hässlich waren sie ja nie, höchstens ihr Inhalt. Der Doppler war, das muss ja auch gesagt werden, die Magnum der kleinen Leute. Und Österreich ist ja, wie wir wissen, voll von kleinen Leuten.
Schon lange allerdings frage ich mich, wann der Doppler sein Comeback feiern wird. Schließlich badet die Welt und nicht nur die kulinarische Welt, seit Jahren in Retro, einem Schaum mit dem süßen Geschmack der Erinnerung an die Sechziger und Siebziger. Einmal entdeckte ich ein paar Doppelliterflaschen mit "Zweigelt" und "Veltliner" bei einem Fleisch und Geflügelhändler auf einem Wiener Markt. Ich erwog nicht wirklich, davon zu probieren. Doch jetzt ist er wirklich da, der Doppler. Er feierte unlängst sein Comeback auf einer der schönsten Bühnen der Welt, dem Wörthersee. Und er schaut aus wie damals, das Etikett ist etwas größer als es früher sein mußte, wo man nur sagen mußte: Wein. Alles andere schien den Österreichern damals zu elaboriert und nachgerade lächerlich elitär. Er ist da und ich ließ mir aus ihm einschenken am Wörthersee, im neuen Seerestaurant Saag, wo Hubert Wallner wunderbar kocht und Ines Hofstadler (früher Obauer und Schlossstern) hervorragend einschenkt. Sie empfahl mir den Gemischten Satz vom ehrbaren Wiener Weingut Rotes Haus. Ich trank ihn zur Forelle mit Sicherkaviar, Kren und viel Tomatenaroma und für einen Moment schien mir das Leben ganz okay zu sein. (ar)

Donnerstag, 5. August 2010

Essen aus dem Kofferraum, aber richtig.




Die Franzosen sind es ausgerechnet, die einen neuen Stilbruch begehen. Im Sommer trifft man sie auf den Wiesen und Parkplätzen neben den Straßen, auf denen sich Wohnwägen und PKWs dem Süden entgegenstauen. Oder auch dem Westen, zum Beispiel der Bretagne. Und was machen sie?
Blättern sie im Michelin oder im GaultMillau auf der Suche nach der nächsten lohenden Adresse für das Dejeuner? Nein, das tun sie nicht. Stattdessen machen sie den Kofferraum auf und nehmen ihre Mahlzeit aus dem Kofferraum ein. Eine nicht enden wollende Reihe von französischen Kofferraumessern in der Mittagssonne ist noch nicht der Untergang des Abendlandes, aber ein Grund sich Gedanken zu machen. Der mobile Mensch hat ja heute keine Zeit mehr, sich mit den Ritualen des Restaurantbesuchs auseinanderzusetzen, so scheint es. Zehn Minuten lange eine Speisenkarte studieren, drei Gänge, auf Kaffee und Rechnung warten? Kostet locker eine halbe Stunde zwischen dem Kauen und Schlürfen, die doch sinnvoller verwendet werden kann. Deshalb essen die Franzosen jetzt aus dem Kofferraum. Doch hier besteht eindeutig Verbesserungsbedarf. Ich denke an eine perfekte französische Hochleistungsküche im Kofferraum des Renaults oder Citroens, die beim Aufmachen des Kofferraums aufklappt und ihre Instrumente preisgibt. Das Backrohr kann man während der Fahrt vom Amaturenbrett des Autos in Betrieb nehmen. Nach zwanzig Minuten Vorglühen ist es schön heiß. Also rein mit der vorbereiteten Quiche oder dem Gigot d'Agneau. Nach einer weiteren halben Stunde bis Stunde, während man wertvolle Meter in Richtung Zielort zurücklegt, ist das Mittagessen gar. Neben der Küche gibt es im Kofferraum auch einen kleinen, Geschirrschrank, wo man Omas Porzellan verstaut und jetzt nach guter zivilisierter Manier sich zu Tisch begeben kann, der jetzt auf Knopfdruck ausgefahren wird. Was gibt es zu trinken? Gut gekühlten Weißwein, dank Klimaanlage, die auf erfrischende 11 Grad gestellt ist. Dass die Kleinen deswegen mit einer kräftigen Angina im Urlaub ankommen werden, muss in Kauf genommen werden. Für Lebensqualität muss man eben Opfer bringen. Die Quiche ist wunderbar, das Gigot kräftigt und nachdem sich auch die im Kofferraum angebrachte Kaffeemaschine noch nützlich machen konnte, kann es weitertgehen. Doch halt! Wohin mit den Tellern und Pfannen und Messern und Gabeln. Omas Porzellan einfach im Abfalleimer am Parkplatz entsorgen geht wohl nicht wirklich. Doch hier erweist sich der Kofferraumgeschirrspüler als sinnvolle Einrichtung. Er bietet gerade Platz für die benutzte Hardware nach einer Mahlzeit aus dem Kofferraum. Der Geschirrspüler wird mit dem heißen Wasser betrieben, dass aus der Motorkühlung kommt. Ein perfekter Regelkreis, wie wir Ingenieure sagen. Ich denke, wenn sich das Essen aus dem Kofferraum durchgesetzt hat, wird es als interessanter Wachstumsimpuls nicht nur für die Küchenindustrie gelten. Bald schon wird es nicht nur Garagenweine, sondern auch Kofferraumweine geben. Es wird einen Führer durch die besten und schönsten Kofferräume des Landes geben. Ducasse wird ein handliches Kompendium für die Kofferraumküche zwischen Honfleur und Menton herausgeben. Und das schönste: es gibt keine Staus mehr auf den Schnellstraßen, weil alle Franzosen damit beschäftigt sind, sich sechsgängige Menüs aus ihren Kofferräumen zuzubereiten. Endlich freie Fahrt von Paris nach Marseille. Doch die Freude ist gefolgt von Enttäuschung, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass alle besuchenswerten Restaurants entlang der Route in den Süden längst wegen Konkurs durch Gästemangel geschlossen wurden. (ar)

Mit Familienanschluss.




Wer isst und trinkt, muss zwischendurch auch einmal schlafen. Wir sind beim Thema Hotel. Tyler Brulé schrieb kürzlich, es müßte eine Liste der Hotels geben, wo man sicher sein kann, nicht in Nachbarschaft übler Gäste existieren zu müssen, gab aber gleichzeitig zu, dass er sich aus Contenance-Gründen nicht drüber traut über diese Liste. In Velden, wo ich gerade den großartigen Silvio Nickol in seinem Lokal besuche (darüber demnächst mehr) gibt es zwei Sorten von Hotels: Man hat die Wahl zwischen (teurem) Luxus und (leistbarer) Gemütlichkeit. So checke ich im liebenswerten Gästehaus Gudrun ein, ein angenehmes, unaufgeregtes Haus mit geschmackvoller Einrichtung. Die kleine Terrasse ist sympathisch. Es lassen sich auf ihr schaffensreiche Vormittage verbringen. Doch der Mitbewohner verhindert das. Herr Strobl vom ORF scheint über grenzenloses Vertrauen in seine Mitmenschen zu verfügen. Denn er telefoniert so laut und deutlich, dass ich mich locker dreihundert Meter von meinem Tisch auf der Terrasse entfernen müßte, um nicht zwangsweise mitzuhören. Doch das mit den dreihundert Metern geht nicht, denn dafür ist das Grundstück des Gästehauses zu klein. So höre ich von Herrn Strobls Zores mit der Familie Esterhazy in Eisenstadt wegen der Architektur seiner neuen Wohnung in Schloßnähe. Ich will das eigentlich nicht wissen. Was ich weiters nicht wissen will, ist der Stand der Verhandlungen mit dem Muchaverlag wegen eines prekären Berichts über den ORF. Ich möchte meine Ruhe haben und ranke daher das Gästehaus Gudrun ganz vorne beim Thema Charme, aber ganz hinten beim Thema Anschluss an andere Gäste, den man weder akustisch noch sonst wie braucht. (ar)