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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Dienstag, 26. Oktober 2010

Der beste Gimlet ever had.

Köln. Nach einem anstrengenden Kongress mit grausamem Grillbuffet (!) zieht sich der Teilnehmer  in die Bar des Schlosses Bensberg zurück. In Bensberg kocht einer der Besten Deutschlands, Joachim Wissler. Doch der Barman in der mit englischen Lederrfauteuils, Kamin und einem beachtlichen Humidor ausgestatteten Bar ist auch nicht ohne. Er stellt sich als Chris vor, wenn man ihm den Vornamen anbietet (Vornamen sind für Bargäste immer bekömmlicher. Man behält sie auch nach einer ambitionierten Folge mehrere Cocktails am nächsten Tag noch im Kopf.) und versteht sein Handwerk glänzend. Zum Beispiel hatte ich noch selten, um nicht zu sagen nie, einen Gimlet von vergleichbarer Frische, zitronigem Duft und ernsthafter Mischung aus Gin (Tanqueray) und - frisch - gepresstem Limettenjuice. Ich trank voller Freude und Respekt. Am nächsten Tag war es ein ohne Eis servierter Mojito, der mit etwas Champagner gestrecht wurde und mir ausgezeichnet schmeckte zum frischen Kalbstatar, das die Küche spätabends noch zur Verfügung stellte. Nun wird in dieser Bar verbrecherisch oft nach schlichten Bieren, Bränden oder Sekten verlangt. Wer diesem Barkeeper die Möglichkeit gibt, mit eigenen oder interpretierten Rezepten durch den Abend zu führen sollte es nicht bereuen.


Nichts zu verkaufen: Bernard Antony.

Käsefreaks verehren seinen Namen, sie hecheln nach seinen Mitbringseln und flüstern sich wie den Geheimcode einer Geheimloge die Adressen der Restaurants zu, wo man diese serviert bekommt. Dabei handelt es sich einfach um die Liste der gefragtesten Restaurants Frankreichs, Englands, Österreichs oder auch Hong Kongs. Maitre Antony, wie ihn alle ehrfürchtig nennen, beliefert Ducasse, Gagnaire und Passard in Paris, aber auch Hanner, Bobby Breuer in Kitzbühel oder Nickol im Palais Coburg. Ich traf ihn in einer Freundesrunde im großrussischen First-Class-Hotel Grand Tirolia (die Damen und Herren aus Russland und ihr Hang zum Understatment. Ach ...) und fand wieder einmal, dass die Käse, die Antony tätschelt und lobt wie seine Kinder, wirklich großartig schmecken. (Und besonders gut schmecken sie zu den alten Rieslingen Willi Bründlmayers. Dies nur nebenbei.) Antony leistet sich nicht nur den Luxus, bei seinen Kunden immer wieder zu speisen, sondern auch den, auf neue Kunden gänzlich zu verzichten. Ein oberösterreichischer Weinhändler, so Antony, dachte, er könne ihn mit dem Versprechen mit neuen Kundenkontakten (an sich ein seltsames Wort: Kundenkontakte. Klingt nach verschwitzten Meetings und Sekt in der Businessclass) überzeugen, ein paar Laibe umsonst zu liefern. Antony mußte dezent ablehnen. Er will nämlich keine neuen  Kunden, um die Struktur und damit die Qualität des Betriebs nicht zu gefährden. Und er will für seine Käse einen angemessenen Preis verrechnen. Wer im Feinkostladen Österreich dieses Niveau ebenfalls schon erreicht hat, möge sich bitte melden. (ar)

Bernard & Jean-Francois Antony
5, rue de la Montagne
F-68480 Vieux Ferrette
Sundgau

Shitty Ingredients.

Der Österreichische Spitzenkoch arbeitet mit Hummer und Foie Gras und Rehfilet. Der beste Koch der Welt, René Redzepi, bereitet - nur so zum Beispiel - zwei Jahre alte Karotten so zu, dass die Feinschmecker auf Knien in sein Restaurant in Kopenhagen robben. Ich durfte ihm bei seinem Vortrag auf der "Chefsache", einem Köchekongress in Köln (darüber an anderer Stelle mehr) lauschen. Die Karotte entdeckte Redzepi, so er, der auf der Bühne wie ein Rockstar gefeiert wird, auf der Suche nach einem Wintergemüse, denn in seinem Noma wird im Winter nicht etwa Thaispargel serviert, sonder das, was in Dänemark um diese Zeit halt so wächst. Die Karotten fand er im Schuppen eines Bauern. Sie waren unansehnlich, weil zwei Jahre sozusagen gereift und eigentlich nicht mehr für den Verzehr vorgesehen, sondern aus einem freundlichen Versehen und der Gnade gegenüber der Vergänglichkeit vom Bauern nicht weg geworfen worden. "Shitty Ingredients" nennt Redzepi solche und andere Produkte und behandelt sie wie andere ein wertvolles Stück Fleisch oder Fisch. Also säubert er sie vorsichtig, dann brät er sie mit Kräutern (ich glaube, es waren Blüten und Zweige der Kamille, aber ich kann mich wie immer auch irren ...) sanft in Butter an, übergießt die Karotte immer wieder, schmort sie ein bis zwei Stunden. Die Karotte soll delikat schmecken, sah zumindest gut aus.
Sie oder ich: einer wird demnächst in Kopenhagen vor Ort sein und nachschmecken, ob sich aus Shitty Ingredients wirklich the best restaurant of the world (Magazin The Restaurant) machen lässt. Shall we? (ar)

PS: Und liebe Köche, glaubt nicht, dass wir jetzt alle nur noch sphärisierte Algen oder Karotten essen wollen. Manchmal muss es Kaviar sein. 





Die Proletarisierung des Sacherwürstels.

Das Hotel Sacher galt immer schon als Aushängeschild der Hotellerie und Gastronomie Wiens. Seine Küche wurde immer wieder kritisiert. Ein gewisses Bemühen um Qualität war ihr jedoch nie abzusprechen. Und immerhin: das nach dem Vorzeigebetrieb genannte Sacherwürstel, die Stretched Limo unter den Wiener Würsteln, die eigentlich Frankfurter heißen, genießt in der Stadt nicht nur in der Roten Bar des Sachers, sondern auch in anderen ambitionierten Cafés und Restaurants Kultstatus. Doch die Familie Gürtler schert sich da wenig um den Ruf und liefert in ihrem Hotel den Wienern ihr ganz persönliches Sparpaket. Die hatten keine Probleme für ein paar Würstel, die es nebenan am Würstelstand durchaus ähnlich gibt, an die neun Euro zu bezahlen, weil sie wußten: es sind die Extras und der Porzellanteller, die ein wirklich gutes Sacherwürstel ausmachen. Zu Papptellern statt Porzellan konnte man sich im Hause Gürtler noch nicht hinreißen. Vielleicht kommt das noch. Doch das delikate und gerne willkommene Jourgebäck wurde durch ofenheiße Semmeln ersetzt, die beim ersten Biss zerknacken und bröseln wie ein schlecht gemauerter Terrassenboden . Der Servicemitarbeiter kann auf meine Frage nach dem Jourgebäck nur antworten: Ciabatta? Wir würden jetzt übertreiben, wenn wir an dieser Stelle vom Kulturverfall in einer so genannten Weltstadt reden. Aber kein Kompliment machen dem Hotel Sacher für dieses Downgrading, das dürfen wir. (ar)

Hotel Sacher, Philharmonikerstraße 4, Wien 1010, Telefon: +43 (o)1 52 456 0

Sonntag, 24. Oktober 2010

Wunderbar.


















Martina Himmelbach
Naschmarkt
Stand 40–45
Öffnungszeiten: Di–Fr 6.30–19.00, Sa 6.00–16.00 Uhr
T: +43 1 581 45 65

Montag, 11. Oktober 2010

Die Wüste im schönsten Garten der Wachau.






Im Auge des Hurricans herrscht vollkommene Stille. Ich war selbst noch nie in einem solchen - die Reisebüros sind einfach nicht schnell genug - aber ein Sonntagmittag im berühmten Loibnerhof lässt das Gefühl erahnen, wie es sein muss. Unser Tisch ist der Tisch im Auge des Hurricans. Rechts und links Hochbetrieb. Tempo, Geschäftigkeit, Serviceleute im Eilschritt. Kalbsbrüste, knusprige Schweinsbraten, Welse werden herangeschleppt, die besten Weine Österreichs in silbernen Eiskübeln. Nach etwa zwanzig Minuten Wartezeit wird die Tischgesellschaft unruhig. Ich muss um Containance bitten, kann aber selbst auch das Zittern meiner Hände nicht mehr übersehen. Die hier wissen halt nicht, dass wir wie immer sehr durstig sind und mit einer Karaffe vom herrlichen Knollschen Veltliner oder Riesling sehr leicht und auch länger ruhigzustellen. Nach weiteren zehn Minuten endlich die Frage, ob wir zu bestellen wünschen. Ein Gedanke, der zu formulieren wäre: "Doch ja, wir hatten, weil wir schon mal hier sitzen, tatsächlich die Bestellung von Wein und Speisen erwogen ..." Mittlerweile geht es uns aber wie Clint Eastwood bei seinem Wüstenmarsch in Sergio Leones "Zwei glorreiche Halunken", wenn auch die Sonne in der Wachau nicht mehr so stark brennt wie in der Sierra. Die fortschreitende Dehydrierung, sie lässt uns leise sagen: "Riesling, Soda." Weite zehn Minuten später: Der Tod durch Flüssigkeitsentzug wurde knapp abgewendet. Haben wir schon einmal festgehalten, dass der Jahrgang 2009 ein ganz außerordentlicher Jahrgang ist? Selbst die leichten Federspielweine sind schlichtweg großartig geworden, wenn ich mir diese differenziert weinkennerische Beurteilung erlauben darf. Auch die Verwobenheit der Schäume, Aromen und Gewürze einer Krebsenbisque und ihr leicht scharfer Abgang am hinteren Gaumen (fast ganz hinten, da wo der Gaumen nur mehr für die Aromen der ganz großen Suppen zuständig ist) sind großartig. Der Schütt Veltliner Smaragd 2008 eine kluge Entscheidung. Nach einer guten halben Stunde läuft jetzt alles wie am Schnürchen. Kalbskutteln! Ein bereits ausreichend herumgereichtes und ziemlich abgekochtes Thema. Dennoch ist es unsere, meine Pflicht, hier ausdrücklich festzuhalten, dass ich kein besseres Kuttelgericht kenne, als diese schlotzige, zotige, nach ehrlichem Stallgeruch duftende Mischung aus Kuttel, Kalbsfuß, winzigen Gemüse, wenigen Bohnen, die mit einem Löffel und nichts anderem serviert wird. Ich kenne andere. Aber keine besseren. Und: auch die Zwetschkenknödel sind delikat, topfig und zwetschkenfruchtig süß. (ar)

Loibnerhof Familie Knoll
Unterloiben 7
A 3601 Dürnstein
Tel.: +43 2732 82890


Samstag, 9. Oktober 2010

Immer wieder eine Entdeckung: Alzinger!





Alzheimer? Alzinger! Irgendwo haben wir's aufgeschrieben. Immer mehr ältere Leute, so der Spiegel und andere Weinzeitschriften, kriegen Alzheimer oder Alzinger und vergessen alles um sie herum. Sie vergessen, wer sie sind und waren und sein wollten. Sie vergessen ihre Lieblingsrestaurants. Sie vergessen andere Weine. Sie vergessen ihre Feinde (schlecht) und ihre Freunde (wenn es sein muss). Sie vergessen sich. Alzinger macht großartige Wachauer. Er war schon berühmt. Aber das können wir vergessen. Denn jetzt ist er wirklich berühmt. Der Sommelier des Noma (Redzepi, bestes Restaurant der Welt für alle, die auf Rankings stehen, Sie wissen schon. Sie wissen nicht? Was machen Sie dann hier?), also der Sommelier dieses Kultlokals, man darf das so sagen, servierte in einem arte-Portrait der Sterneküche und -Köche einen Alzinger zum Essen. Live und ungeschnitten. Er empfahl den Alzinger zu den Gerichten des René Redzepi und normalerweise müßte die Nation, die österreichische Nation, in einer Art Taumel in die Wachau pilgen und Lieder singen und den Loibnerberg hinauf- und hinuntertanzen. Aber die Österreicher schauen nicht arte. Der Verdacht: die Familie Alzinger auch nicht. Deshalb morgen noch schnell in die Wachau. Ein bisschen etwas kaufen, solange die Preise sich noch nicht an den Tabellen der "Best Restaurants of the World" orientieren. Und eigentlich, wie hieß der Wein nochmal? Schon wieder vergessen. Wie heiße ich eigentlich? (ar)

Weingut Alzinger
3601 Unterloiben 11
Tel.: +43 (o) 2732 77900

Die Zwei.

Brioche und Foie Gras scheinen immer noch die unschlagbar gute Kombination zu sein. Wahrscheinlich, dass beide so etwas wie einen Ewigkeitscharakter haben wie Mozarts Klavierkonzerte und -Sonaten. Die muss man einfach nur im Salzburger Mozarteum hören (nächste Mozartwoche im kommenden Jänner) oder sich in den CD-Player schieben. Mit der Gänseleber und dem Brioche ist das viel weniger einfach. Lassen Sie es mich so sagen: so viele schlechte Mozartinterpreten gibt es gar nicht wie es hochgebutterte und fettige oder durchgetoastete Brioches gibt und erst recht nicht wie tranige, geschmacklose und -viel schlimmer - leicht angeranzelte Gänseleberterrinen. Foie Gras ist ja nicht die Domäne der österreichischen Köche. Ist sie nicht. Selten, dass ich eine serviert bekomme, die wirklich schmeckt. Eine Foie Gras, die ihren französischen Vorbildern einigermaßen nahe kommt oder wenistens der besten Foie Gras, die es in Ö. gibt. Aber leider in keinem Restaurant. Gerhard Urbanek am Naschmarkt in Wien lässt sie sich von einem pensionierten Küchenchef aus der Oberliga machen. Sie weist gerade die richtige Balance auf zwischen dem schmelzigen Aroma, im Hintergrund arbeitenden Fett und gekonnt beigefügter Würze. Sie ist frisch und immer gut gekühlt. Dazu importiere ich aus dem Reich Meinl am Graben einen Briochewecken, dottergelb und leicht wie eine Wolke (am besten vorbestellen) und welchen Wein man dazu trinkt, darüber ein anderes Mal. (Champagner ist immer okay, ein Chateau Saudiraut aus einem besseren Jahrgang tut auch seine Kür.) (ar)

Wir haben einen Klopfer!

Tock, tock, tock. Die kleinen Flaschen zu je 2 Milliliter zu je 2,- hart, aber dezent auf dem Holztisch aufgeschlagen. Schlürf, schlürf, schlürf. Creme, Whisky. Ein wenig erinnert das an Baley's Irish Cream, ein Altherrengetränk, für dessen Vorliebe ich meinen Vater immer belächelte. Plötzlich verstehe ich. Der Klopfer, wie ihn der Freund, Philipp Konzett nennt, ist ein großer Beitrag zur Wiener Subkultur, die auch eine Hochkultur, jedenfalls für Würstl wie unsereinen am passenden Stand wichtigster Senf unserer Tage ist. Was ich gerade geschrieben habe, zeigt, dass ich gerade einen Klopfer hatte (und habe). Die Frau Würstelstandlerein im Durchgang am Naschmarkt in unmittelbarer, wenn man das so sagen darf, Nachbarschaft zur großen Frau Gruber, ist eine Frau von Grandezza und Stil. Jahrelang wollte sie die schmalen Bretteltische, die ihrer Meinung nach einen echten Würstelstand eignen, nicht abmontieren. Iegendein Brazil-artiger-Beamter muss es ihr befohlen haben. Jetzt hat sie Tische aus Kunststoff, macht mehr Geschäft, aber richtig glücklich ist sie nicht. Die weltweit gejagten Bilder vom Wiener Würstelmann, die es in den Museen der Staaten schon zu Berühmtheit gebracht haben, in Wien aber nur bei den Sprayern, den Amateur-Arnulf-Rainern, Beachtung fanden, werden jeden Abend abmontiert und sicher aufbewahrt. Nur noch wenige Standler mit solcher Berufsethik zieren den Wiener Naschmarkt. Gehen wir hin, erweisen wir ihnen unsere Hochachtung und zahlen ein bisschen was. Und singen Ich bin ein Wiener Würstelmann ... (ar)
Naschmarkt 67
1060 Wien
Tel.: +43 699 81 28 72 81



Freitag, 8. Oktober 2010

Ist Xandi Müller wirklich Kult?





Alexander Müller, gelernter Baumeister und Küchenchef im zweiten Bildungsweg, lernte ich vor Jahren am Naschmarkt kennen, als er Witze, Seitenhiebe und eine Platte mit köstlichem Jabugo herumreichte. Der war nicht selbst gekocht, sondern selbst gekauft. Und kurze Zeit später vertschüste er sich ins Korso zu Reinhard Gerer, um das zu machen, was er eigentlich immer schon machen wollte: kochen. Umtriebig, wie Xandi Müller, wie ihn alle nennen, nun mal ist, kriegte er in den Wiener Esssalons einen ordentlich guten Ruf als Gastkoch, der mit lockeren Sprüchen und lockerer Hand herrliche Knödeln, Beuscheln und Steaks zaubern konnte. Jetzt hat er ein eigenes Lokal. Und es musste genauso sympathisch durch geknallt sein wie sein Patron. Das Stüberl des Ober St.Veiter Tennisclubs. Nun weiß man ja, wie kulinarisch interessiert Tennispieler sind. Ein Schinken-Käse-Toast und ein Ham-And-Eggs, bitte. Und einen Radler. Das macht einen Xandi Müller nicht durchwegs happy und er hält ordentlich dagegen. Ein paar Matches hat er schon gewonnen da oben, in dem köstlichen Retrostüberl mit dem großartigen Blick auf tennisspielende Malocher und die Stadt Wien überhaupt. Seit Neuestem darf er sich mit dem Ehrentitel "Gerers bester Mann" schmücken, eine Art Rittterschlag in der Szene. Und wie kocht Gerers bester Mann? Wirtshausküche pur mit erlesenen Produkten. Das Fleisch vom Höllerschmid, einem der besten Fleischmacher in Niederösterreich. Das Kraut vom Naschmarkt. Alles andere auch. Das Kraut ist ein Weißkraut und Müller macht daraus eine Delikatesse. Klein geschnitten, in Schmalz angebraten, mit dem kräftigen Jus, den man aus den Knochen vom Schwein und dem Schweinsbraten gewinnt, aufgegossen. Herrlich. Unkalkulierbarer Aufwand allerdings. Darauf thront ein Grammelknödel von besonderer Güte, das ganze akkompagniert von einem Schweinebauch, buttrig, knusprig. Der deutsche Kollege Dollase würde vielleicht sagen: ein toller Akkord. Vorher schlürfen wir aus angeschlagenen Segafreddotassen köstliche Stosuppe. Nicken anerkennend beim Genuss des gebackenen Steinpilzes, den Xandi Müller mit Lardo umwickelt. Eine tolle Idee. Dann das Highlight: Best of Beinfleisch mit frischem Kren, dazu eine weitere Segafreddotasse mit dem unglaublichen Geschmackskonzentrat einer fetten Bouillon, wie es sie höchstens noch irgendwo zuhause bei Muttern gibt, wie sie in Wiens Gasthäusern längst ausgestorben ist. Hauchdünnes Knoblauchbrot. Markscheibe. So gehört sich's. Intelligent kontrastiert von Safrankohlrüben. Suchtfaktor hoch. Die Zwetschkenknödel. Dazu eine Geschmacksverdichtung aus kiloweise Zwetschken, halbflüssig in ein Tässchen gedrängt. Und wenn Xandi Müller mit seiner wie ein Barrett sitzenden Kochhaube zu den Tischen geht und den Gästen sagt, was sie heute zu essen haben, was nicht immer das sein muss, was sie sich vorgestellt haben, verlässt das Geschehen den Boden des Wirklichen und Üblichen. Dann ist man in einem Disneyfilm mit Gerard Depardieu und sagt: will ich jetzt öfter hingehen. (ar)

Küche am Berg
Jennerplatz 25,
1130 Wien
Tel.: +43 1 879 74 85

Wein & Klo.





Am Naschmarkt, so hört man unter Insidern, sind die Toiletten des am Eck von Getreidemarkt und Wienzeile gelegenen Wein & Co sehr beliebt. Die Menschen gehen dort ihren stoffwechselmäßigen Verpflichtungen nach ohne zu konsumieren. Ich finde das nicht richtig. Andererseits macht es einem die Bar und die Weinpreise auch nicht gerade schwer Verzicht zu üben. Die Weinpreise sind für Degustationsportionen von einem Sechzehntel angeschrieben. Wer ein Glas trinkt, wundert sich dann gerne einmal über die saftige Rechnung. Letztens stand mir der Sinn nicht nach Wein, sondern nach Champagner. Es gibt offenen Roederer. Ein ordentlicher Champagner. Das Zehntel um 9,67. Ein ordentlicher Preis. Der Weinbarmitarbeiter schenkt ein in ein billiges Pressglas. Kein Schaum, keine Perlage. Im Glas eine traurige Flüssigkeit. Ich fasse mir ein Herz und frage, wie lange die Flasche schon offen ist. Der Weinbarmitarbeiter mit dem bellenden Ton eines Feldwebels: "Heute!" Damit sind die letzten der eh nicht vorhandenen Bläschen aus dem Glas entwichen. Ein Schluck. Vielleicht liegt es auch am Glas, am billigen? Noch ein kleiner Schluck. Und plötzlich verspüre ich einen Drang, ein nicht aufschiebbares Bedürfnis. (ar)

Wein & Co Naschmarkt
Naschmarkt/Getreidemarkt,
1060 Wien
Telefon: +43 1 587257

Dienstag, 5. Oktober 2010

Meixners Meisterstücke.





Ein Bannstrahl zieht meinen Raumgleiter von der vom Wiener Mittagsgrau beleuchteten Tangente ins Gasthaus Meixner. Ein gastfreundlicher Ort ohne Ruhetage. Immer einen Besuch wert. Ich war schon zu lange nicht mehr dort und erfreue mich am Wiedersehen mit alten Bekannten: Kalbskutteln mit Paradeisern und Knoblauch, gebackene Fledermaus vom Schwein. Weil der Tag mit einer köstlichen Leberkäsesemmel beim Waldviertler Fleischermeister Hofmann in Hollabrunn begonnen hat, schiebe ich zur Kalibrierung einen kleinen Matjeshering ein. Ab dann übernimmt die Küche unter der liebenswerten Berta Meixner das Kommando. Ein in Topfenteig gebackener Grammelknödel mit Speck-Kraut-Salat. Ein gebackenes Kalbshirn mit Endivien-Erdäpfelsalat und einer schmucken Scheibe Zitrone. Lauter Dinge, die wir Esser ja bekannterweise partout nicht ausstehen können. Und dann die bestellte Kalbsleber: vorbildliche Gasthausküche. Das Saft'l, ich darf doch Saft'l sagen, nicht zu eingedickt, aber schön buttrig, die Zwiebeln richtig, die Leber zart, und das ganze kontrapunktiert vom Grün der Petersilienerdäpfeln. Nebenan schmausen die Damen und Herren Honoratoren des 11.Bezirks. Zu Preisen, die man in Wien sonst vergeblich suchen muss. Herr Meixner, Genussmensch und Philosoph, erzählt mir von den neuesten Techniken der Gourmetlieferanten (davon ein anderes Mal mehr) und schenkt einen unfiltrierten Sauvignon aus der Steiermark ein. Wer soll da noch behaupten, dass er Montage hasst? (ar)

Meixners Gastwirtschaft
Buchengasse 64, Ecke Herndlgasse
1100 Wien
+43 1 604 27 10
k.meixner@aon.at

Samstag, 2. Oktober 2010

Wie Adenauer sagte/2

Was interessiert mich mein Blödsinn von gestern? Einiges. Wenn ich hier zum Beispiel mein Versprechen einlöse, Sie noch über das Fischthema bei Böhle in Wien zu informieren. Kurz. Erwin Jung hat gute Beziehungen, leider nicht zur Mafia oder zur heimischen Politik, er wäre sonst reich. Aber, was eigentlich viel nützlicher ist, zu guten Fischern am Bodensee und anderen Lieferanten, die dem Besucher des kleinen Bistrohinterzimmers in der Wollzeile kleine Jauchzer hervorlocken. Oder zufriedene "Das war aber ein sehr guter Fisch"-Kommentare. Es gab dort letztens Huchen, ein erwachsener Fisch, mit etwas Knoblauch und Butter zubereitet und doch so, dass zum Thema Huchen einfach alles gesagt, gekocht und serviert war. Eine kurze, nur durch die gute Aussicht überbrückbare Woche später, gab es so etwas wie Bachkrebse, also das wilde Zeug aus einem Fluss. Sie schauten uns grimmig an aus ihrem Transportkarton, aber weil wir so unglaublich hart und brutal sind, gaben wir sie dennoch zum Kochen frei. Gerächt haben sie sich dafür mit einigen Kratzern auf den Fingern der Krebsfreunde, doch leider, ihr rotgepanzerten Freunde: so gut wie eure Schwänze und Scheren schmecken mit Böhle-artig hochgebutterten Saucen - man kann einfach nicht lassen davon. (ar)

Wie Adenauer sagte/1

Was interessiert mich mein Blödsinn von gestern? Sehr viel. Wenn es zum Beispiel um das Institut Wein und Mehr vulgo Lugerbauer in Mondsee geht: gestern oder vorgestern erblicke ich dort eine fast haifischgroße Mondseereinanke in der Eisvitrine. Sie ist nicht so, dass sie mich jetzt ansprechen muss: Brate mich, iss mich. Das weiß ich von alleine. Der Fisch, also sie, ist knallhart, frisch gefischt, unmöglich, ihr mit Fischmesser oder Hackebeil beizukommen. Also kommen ich und die Freunde am nächsten Tag. Andrea Lugerbauer, die langsam in Verdacht gerät, eigentlich immer schon gekocht zu haben, wenn  es im Hause Lugerbauer (Mondsee, Zell am See) was hervorragendes zu essen gab, brät die Reinanke filetweise perfekt und haut sie auf einen Paradeisersalat. Der Ölmagnat aus Mondsee fügt einen Dash Comincioli dazu, was gut ankommt. Und danach und nicht wie eine Woche vorher vorher: wieder Schweinsbraten, eigentlich Schweinebauch, und wieder ist es so wunderbar, dass man sich niederknien möchte (aber wir sind alle voller Athrosen und lassen es lieber). Und nachher Zwetschkenpofesen. Bin ich betrunken (bin ich nicht)? Oder sind das die allerbesten Pofesen des Universums? (ar)

Freitag, 1. Oktober 2010

Ein Überflieger wär' man gern.

Sergio Herman gilt als Kultstar unter den jungen Köchen, spätestens seit ihn der französische Gault Millau als ersten nichtfranzösischen Koch in den Fünf-Hauben-Olymp gehoben hat. Ein Gott, dem die Welt japsend zu Füßen liegt. Das Oud Sluis ist ausgebucht bis ans Ende aller Tage. Doch wahrscheinlich ist es leichter, dort vorgelassen zu werden als im Ikarus im Hangar 7, wo Sergio Herman im September als Gastkoch aufgetreten ist. Das Ikarusprinzip ist bekannt: die hochfliegendsten Köche aller Welten und Kontinente werden eingeladen, ihre Einfälle (und Produkte) nach Salzburg einzujetten. Roland Trettl, Martin Klein und ihr Marinecorps von vollkommen irren Westpointköchen (man muss wahnsinnig sein, um dieses Tempo auszuhalten und diesem Druck standhalten zu können) setzen das vor Ort in Szene und um. Handwerklich muss ein Kooch ziemlich gut unterwegs sein, um zum Beispiel so etwas wie Gänsestopfleber Streusel mit Aryanas und einem Blatt aus Pedro Ximenes auf den Teller zu bringen, ohne sich lächerlich zu machen, wie es leider bei den meisten Molekularkopisten der Fall ist. Aber lächerlich macht sich im Ikarus kaum jemand, höchstens hie und da ein Gast, der
Küchenstile nicht kapiert, die flugmeilenweit von dem entfernt sind, was er in Österreich aufgetischt kriegt. Bei Redzepi waren es fünfzig Prozent der Gäste, wie man hört, die mit dem Menü nichts anfangen konnten, das meiner Meinung nach eines der besten war, die ich mir je einverleiben durfte. Jetzt also Sergio Herman. Das Menü beginnt mit ein paar Happen, wobei zum Beispiel die Kombi von Macarons mit asiatisch gewürztem Krustentier und einem Schälchen Sake oder eine Kombination aus Muscheln und Koriander bemerkenswert sind. Hier machen wir bereits Bekanntschaft mit dem virtuosen Umgang mit Konsistenzen, Temperaturen, Texturen und Aromen, der diese Küche zweifellos eignet. Einmal knackt es, dort erfrischt es, da eine Mousse, dort ein Klecks Sauce, daneben ein Pulver. Langustinos gehören zu den Musts der Erste-Klasse-Küche. Die hier waren besonders gut. Einmal als anschmiegsames Carpaccio, darauf ein Hügel Kaviar, darunter das Fleisch vom Taschenkrebs, ein gelierter Fond und ein grüner Kontrapunkt aus Eisenkraut. Man isst und staunt, staunt auch über das dramaturgische Talent dieses Kochs, der als nächsten Gang wieder Langustinos serviert, diesmal gebraten und einfach nicht besser vorstellbar, mit Tomaten in verschiedenen Größen, Farben und Aggregatszuständen, Minilauch, einem Fond aus Tomaten und Rucola. Maitre Kovar schenkt dazu einen Hammerwein ein, einen 2006 Chante Coucou, Cotes Marmandais, ein Rosé mit den kräftigen Aromen des Cabernet Sauvignons, der uns mit Tisch und Stuhl abheben, eine Runde übers Meer fliegen und wieder landen lässt. Es folgt der Auftritt eines bestens disponierten Bourgogne Blanc von Vincent Dancer, ein schlichter Burgunder, der seine hochpreisigen Verwandten auf die Ränge verweist. Geräuchter Aal passt da sehr gut dazu, er kommt auf einem Beet aus Quinoa und kleinen Gemüsen, Blättern und Blüten. Ein spielerischer Gang, unangestrengt und gerade deshalb gut als Intermezzo zur folgenden Foie Gras. Das essbare Apple-Logo aus Apfel und Gänselebermus kennt die Szene bereits, für mich der einzige Showeffekt im Menü, der mehr witzig als wirklich hervorragend gut ist. Das zweite Gänselebergericht ist dafür so gut, dass man am liebsten mit dem Besteck drin wühlen möchte, eine Gulfstream Five am Teller, die Überfliegerküche des 21.Jahrhunderts. Das Erbsenblütige dazu ein Diskussionspunkt. Ich mag es. Wenn eine Küchenmannschaft auf dieser Flughöhe Wolfsbarsch auf die Karte setzt, darf man erwarten, dass es sich um ein Spitzenprodukt handelt. Der Fisch ist perfekt, wird von einer Sauce aus geräucherter Butter hofiert, daneben ein Stück ebenfalls geräucherter Hummer, Rote Rüben, wieder in verschiedenen Formen und Formationen, Rettich. Zitat der Küche des Nordens. Auch Tauben gehören zur den beliebtesten Fluggeräten der Sterneköche. Diese hier wurde nach der Sous-Vide-Methode gegart und ist ein echter Luxusliner. Ihre Flugbegleiter sind winzige, mit Nougat gefüllte Zwiebelchen, Haselnuss als Creme und Pulver. Und dann ist da der gefüllte, mit Taubenconfit gefüllte, Gnocchi, ein Ding, das dem leichtflügeligen Gericht, das vollkommen auf erdenschwere Saucen verzichtet, große Ernsthaftigkeit verleiht. Ein Schokoladendessert ist endlich einmal nicht buttrig-kakaotriefend, sondern moussig leicht. Das Citrus genannte zweite Dessert lässt uns nach diesem Langstreckenmenü wieder durchstarten und sofort um eine zweite Portion bitten. Gut, wirklich gut Essen und Trinken kann so schön sein, wenn ich mir diese banale Erkenntnis gestatten darf als Ausdruck der mir fehlenden Worte. (ar)
Ikarus
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