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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Donnerstag, 2. Dezember 2010

Was habt Ihr hier zu feiern?





Der Glitzermonat Dezember wird durch die Ansammlung von Weihnachtsfeiern nicht erträglicher. Für die Menschen in den Büros, die einmal im Jahr mit lustigen Spielchen, Punsch, Würstel aus dem Plastik, selbst gemachten Brötchen, noch mehr Punsch und Tätlichkeiten zwischen Abteilungsleiterinnen und Assistenten, an die man sich am nächsten Tag und auch die folgenden 365 Tage erinnern muss, die Weihnachtssau rauslassen, ist es eine Art willkommener oder jedenfalls aber ein Ausnahmezustand, eine Unterbrechung des dahintrottelnden Alltags. Viele Feiern finden aber nicht im Büro oder in einer so genannten "wahnsinnig lustigen Location" statt (unbekannte Tanzcafés, aufgelassene Spitäler, stillgelegte Bahnhöfe), sondern in ganz normalen Restaurants. Für den Auswärtsesser ist es ein Albtraum. Schon zum zweiten Mal en suite erfahre ich aus meinen Lieblingsrestaurants: ausgebucht. "Wir haben", wie es heißt, "eine Gruppe". Natürlich. Was zwingt die Menschen, um diese Zeit zusammenzurücken und sich mit - so ist es doch - unterpreisigen Weinen zuzuschütten? Angst vor der Leere der Weihnachtsfeiertage? Es muss der Chef mit den Mitarbeitern weihnachtsfeiern, es muss die Agentur weihnachtsfeiern, die Bank muss weihnachtsfeiern (wobei: was feiern letztere eigentlich? Den Steuerzahler als Christkind?). Ja, auch die Restaurants, in denen die Weihnachtsfeiern ausgerichtet werden, müssen irgendwann und irgendwo weihnachtsfeiern. Der Hungrige indessen muss sich auf magere Zeiten einstellen. Er kann natürlich auf ein Schmalzbrot zu einer der vielen Punschstandeln gehen, die sie ihm jetzt zwischen Bregenzerwald und Burgenland hingestellt haben. Wie heißt es? "Ach, lass uns einen Punsch trinken gehen." (Über das Phänomen Punsch in Kürze mehr.) Vielleicht will er das aber nicht. Auch kann er sich mit Trüffel eindecken und zuhause ... vielleicht will er sich aber nicht die Pfannen schmutzig machen. Er könnte natürlich so tun, als gehöre er zu einer Weihnachtsfeier und einfach ins Lokal hineingehen und sich dazusetzen: "Hallo, ich bin der neue Kollege ... Übrigens: Haben Sie schon das Gerücht gehört? Der Direktor fickt die Assistentin, obwohl er eigentlich schwul ist ... Was haben Sie da im Glas?Prosecco?" Prosecco oder auch Hochriegl, was schlimmer ist, weiß man nicht genau. Denn das Geld geht den Unternehmen aus, die Weihnachtsfeiern finden statt, doch sie werden kärglich bestückt. Leberstreichwurst statt Gänseleber. Es wird lauter, der Zweigelt fließt und auch der Gespritzte hat wieder Saison. Die a-la-carte-Gäste drücken sich in ihre Marktnische, die sehr klein und eng ist zur Weihnachtszeit. Mit dem labbrigen Service und dem trockenen Braten finden sie sich immer ab zur selben Zeit. Selbst schuld, hätten sie nur rechtzeitig die Malediven gebucht.
(ar)

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