Montag, 26. Dezember 2011
Sonntag, 25. Dezember 2011
Der Sturm vor der Ruhe
Einer aus der Runde steht mitten in dem wohnzimmerartig dimensionierten Lokal und zeigt den anderen Gästen seine vollgekotzten Hosen, sein angespiebenes Hemd, während in dem Eck, wo er herkommt, sich etwas rührt. Tische werden beiseite geschoben, der Ober der Enoteka eilt mit Kübel und Besen herbei. Die Herren trinken ruhig weiter, niemand eilt dem Ober zu Hilfe. Währenddessen geht der Angespiebene seine Kotze im Lokal spazieren tragen. Streift damit die Gewänder der anderen Gäste, die sich erst später über den eigenartigen Fremdgeruch am Sakko wundern werden.
Macht da jemand Anstalten, vielleicht ein Taxi zu rufen und das Angekotzte wohin zu expedieren? Ich bitte Sie, wir haben damit nichts zu tun. Zwei trinken in aller Ruhe den Tignanello aus, prosten vielleicht darauf, dass sie der Strahl des Halbverdauten nicht erfasst hat. Geselliger Advent, ein Ausnahmezustand.
Beim Imbiss in einer Greisslerei pöbelt ein kleingewachsener Rabauke den Gast an, der sein Rotweinglas nicht schnell genug leert, um sich vom Rabauken einschenken zu lassen, von dem er sich aber nicht einschenken lassen will. Eskalation. Zur Rauferei und zum Bauchstich kommt es nicht, weil der eine dem anderen das Feld überlässt. In der dunklen Jahreszeit haben die Narren Narrenfreiheit.
In der Stadt erkennt der Spaziergänger die bekannten Plätze nicht wieder. Lokale werden von durstigen Runden in einer Art okkupiert, als gäbe es ab dem nächsten Tag nichts mehr zu essen oder zu trinken. Köche erleben den Rand des Nervenzusammenbruchs, verbraten die Reste der nicht mehr ganz frischen Ware, alles muss raus, bevor die Weihnachtstage sich über alles legen wie eine kuschelige Kameelhaardecke.
Die Rabauken und die Speiber, mit einem Mal haben sie keine Bühne. (ar)
Dienstag, 20. Dezember 2011
Über die Jurassic-Park-Austern des Herrn Gillardeau
Im Gegensatz zum Hummer, für den jetzt in der Vorweihnachtszeit horrende Summen verlangt werden, die den roten Mantel des kleinen Weihnachtsmannes erblassen lassen, haben Austern jetzt wirklich Saison. Im Binnenland Österreich haben sich die Muscheln, denen man so viele Wirkungen nachsagt, nicht wirklich durchgesetzt. Aber es wird langsam. Angeblich muss man sich ans Austernessen gewöhnen, erzählen wissende Esser. Lächerlich. Entweder es schmeckt gleich oder man lässt es. Wenn man mir erzählen würde, ich könnte mich sogar an Hundefutter gewöhnen, wenn ich einfach ein paar Dosen auslöffeln würde, würde ich das trotzdem nicht tun. Das Glück: mir haben die glitschigen kalten Dinger gleich beim ersten Versuch geschmeckt. Dutzende Dutzend später kann ich sagen, dass sie immer noch schmecken. Allerdings hat sich ein gewisser Widerwillen gegen die Auster außerhalb ihrer Heimat gebildet. Austern schmecken am besten frisch aus dem Meer, also an den Küsten des Atlantiks oder der Nordsee. Austern in Cancale in der Bretagne, keine älter als ein paar Stunden, purer Duft nach Meer, der Geschmack leicht und frisch, gegessen von einem Pappteller, das Dutzend um zwei Euro, das ist es. Das Meerwasser sabbert in die Hemdsärmeln, dann hinauf die Stiegen zum erstbesten Café und einen halben Liter Cidre. Doch, Cidre passt sehr gut zu Austern. Bei uns trinken sie noch Champagner, denn das Austern schlürfen ist für den Österreicher nicht nur (hoffentlich) ein genussreicher, sondern vor allem ein festlicher Akt. Muss er auch sein, bei den Preisen. In Wien, aber auch in Salzburg und in ehrgeizigen Restaurants am Land findet man hauptsächlich Fines de Claires, das sind Austern, die ziemlich oft geklärt wurden, was ihre Qualität bestimmt. Selten findet die flache und teurere Belon-Austern zu uns, meistens ist es die Sorte Portugaises, von der es wiederum mehrere Größen gibt. Französische Freunde lächeln milde, wenn sie die Austernstände in Wien oder das Angebot in den einschlägigen Delikatessengeschäften besichtigen. In Österreich hat man eine Vorliebe für große fleischige Austern, während die Franzosen bei sich zuhause eher die kleinen, filigranen Muscheln bevorzugen. Finesse statt Grobschlächtigkeit. In Frankreich bestellt man gerne Portugaises No 4, die sind auch meine Favoriten. In den letzten Jahren fällt auf, dass für Austern das Umgekehrte von dem gilt, was bei Mobiltelefonen gefragt ist. Letztere werden immer kleiner, während erstere immer größer werden. Die State-of-the-Art-Austern kommt von Herrn Gillardeau aus Frankreich, nachdem eine eigene Züchtung bekannt ist. Kaum ein Küchenchef, kaum ein Fischhändler, der meint, auf Gillardeaus Muscheln verzichten zu können. Die Gillardeau-Austern kommen aus der Gegend von LaRochelle. Eine bestimmte Algensorte lässt sie besonders groß und fleischig werden. Gillardeaus werden besonders oft gereinigt, was ihr Aroma klarer hervortreten lässt, manche sagen aber auch langweilig dazu. Irgendwann kam einer auf die Idee, Gillardeau-Austern mit grünem Apfel zu kombinieren. Seither tummeln sich auf den Tellern der Meisterköche Austern und Äpfel in gemeinsamer Zubereitung. Das kann ganz köstlich schmecken. Ein gewisser „Wear-Out“-Effekt ist dieser Kombination aber zweifellos zu eigen. Warum die Gillardeau-Auster so gerne gedämpft oder gekocht wird? Eine Erklärung könnte lauten, dass sie zum Schlürfen einfach zu groß geraten ist. Nur der protzende Oligarch haut sich vor dem Essen ein Dutzend dieser Jurassic-Park-Austern rein, die vielleicht wertvoller, aber sicher nicht delikater sind als ihre kleineren Verwandten aus der Bretagne, aus Irland oder aus Sylt. Gegart wird das Austernaroma der Gillardeau verstärkt, was es in manchen Fällen penetrant wirken lässt. Es bleibt noch lange am Gaumen, zu lange. Die Gillardeau-Auster ist in den Restaurants heute, was das Geliermittel Xantax vor fünf Jahren war - in den meisten Fällen verzichtbar.(ar)
Samstag, 29. Oktober 2011
Durch diese hohle Gasse ...
Donnerstag, 27. Oktober 2011
Battarias aus Piemont
Samstag, 15. Oktober 2011
Mutter, du schmeckst mir
Dienstag, 11. Oktober 2011
Der Schankbursch des Jahrzehnts
Freitag, 7. Oktober 2011
Botolen & Brunnhuber, übernehmen Sie
Mittwoch, 5. Oktober 2011
Wer kocht so gut wie Kim kocht?
Eine Suppe aus Lemongras und Fisch, darin Wantans mit delikaten Füllungen. Dann genial, auch wenn das unter Essern ein inflationär verwendeter Begriff sein mag: die Seezunge im Cedri-Päckchen à la Renate. Renate heißt eine Freundin Kims, die sie mit den Vorzügen der Cedri-Zitronen bekannt machte. Diese schmecken weniger bitter und zitronig als andere Sorten und eignen sich hervorragend zum Essen. Der Fisch, die Zitrone, Korianter, Berberitzen, Pfeffersalz, Olivenöl, Zitronenthymian und Kirschtomaten ergaben ein bezwingend gelungenes Miteinander. Asia-Cooking ist das längst nicht mehr. Kim gehört zu den wenigen Fusionsköchen, die wirklich alle Stile beherrschen. Ich traue ihr auch locker das beste Wiener Schweinsschnitzel der Welt zu. Die Mangopolenta zum Hauptrostbraten war mir allerdings zu süß. Seltsam, dass die Weine vom Freigut Thallern, die an dieser Stelle sonst sehr geschätzt werden, diesmal so gar nicht in Form sein wollten. Lag es am Halbmond?Das Buch ist gut geschrieben und konzipiert. Schön ist es auch. Ob allerdings allen Hobbyköchen das Erfolgserlebnis zuteil werden wird, so gut zu kochen wie Kim, ist zu bezweifeln. Dafür kocht sie einfach zu gut. (ar)
Dienstag, 4. Oktober 2011
Dieser Teller rettete mein Leben/4
www.hanner.cc
Dienstag, 20. September 2011
Geniale Sorbets und auch sonst sehr fein
Wir kosteten alle Vorspeisen und fanden keine einzige auch nur mittelmäßig, im Gegenteil. Große Portionen, natürlich. Weder in der Gegend um den Yppenmarkt und auch nicht in Apulien sind die Schlankheits-Esser daheim, die mehr aus Show als auch Genuss essen und sich darüber freuen, wenn wenig am Teller ist. Deftige Nudelteller also. Bei den Hauptgängen dann zwiespältige Eindrücke. Ein Kaninchen, großartig portioniert, mit Sellerie, Paradeisern und allem Möglichen geschmort, leider aber vollkommen versalzen. Pech, das nicht sein müßte. Kutteln gab es auch, aber mit einer Beigabe aus riesenhaften weißen Bohnen und allerlei anderem. Man hat den Eindruck: je mehr sie da in den Topf tun, desto besser. Die Meinung teile ich nur bedingt. Doch dann die Sorbets zum Abschluss: nicht verbesserbar. Eine grobe, eher an eine Granita erinnernde Mixtur aus Campari und Blutorangensaft. Frage mich, wie ich den Sommer überleben konnte, ohne das mindestens einmal täglich zu haben. Allerdings: es war ja gar kein richtiger Sommer. (ar)
Wetter, Payergasse 13, 1160 Wien, Tel.: 01 4060 775
Sonntag, 18. September 2011
Der E-Effekt
Samstag, 17. September 2011
Kein Telefon, kein Internet, aber Kutteln
La Merenda, 4 rue raoul bosio (ex rue de la terrasse), 06000 Nice
Montag, 12. September 2011
Thorsten Probost geht seinen Weg
Sonntag, 31. Juli 2011
Wir fleißigen Bienen
Ganz genau kenne ich mich immer noch nicht aus, aber weiß inzwischen, dass es verschiedene Bienenvölker gibt, von denen es abhängt, ob der Honig eher Blüten- oder Waldlastig wird. Man kann diese, auch das weiß ich, in mehreren Bienenstöcken nebeneinander platzieren und dennoch wird das Ergebnis, also die Ernte, vollkommen unterschiedlich sein: in Farbe, Geruch, Geschmack und Herkunft. Blütenhonig ist nicht so begehrt wie Waldhonig. Der Nektar der Blüten verfestigt sich nämlich bald im Glas und wer will sich schon harte süße Kristalle aufs Buttersemmerl schmieren. Während der Waldhonig länger im Glas seine zähflüssige Konsistenz behält und also auch nach Jahren noch eine Delikatesse darstellt, die nichts anderes ist als ein reines Produkt der Natur. Unter harter Menschenarbeit hergestellt. Kennen Sie eine Honigschleuder? Sie wird manuell betrieben und erinnert ein bisschen an die alten Waschmaschinen, die, wenn der Schleudergang eingelegt war, durch die Wucht der Umdrehung in Bewegung kamen und anfingen, durchs Badezimmer oder die Waschküche zu wandern. Zumindest war das früher so. Auch die Honigschleuder muss von mehreren Personen festgehalten werden, damit sie während des Schleuderns nicht abhebt. Diese kauern auf der Schleuder und hindern sie daran, sich nach Lust und Laune einmal hierhin und einmal dorthin zu bewegen. Schließlich muss der Honig geradelienig aus einer kleinen Öffnung ins große Gebinde rinnen und da wäre eine wandernde Honigschleuder hinderlich. Honig ist harte Arbeit und das nicht nur für die Bienen. Zuerst ist da der Imker, der aussieht wie einer der todesmutigen Techniker in Fokushima, und der die Honigwaben aus dem Stock in einen geschlossenen Raum transportiert und je nach Laune der Bienen deren Stichen trotzdem irgendwo am Körper ausgesetzt ist. Geschlossener Raum deshalb, weil die Bienen es ziemlich ärgerlich finden, dass ihre Jahresernte auf einmal vor ihren Augen entfernt wird und vor Ärger auf ganz dumme Gedanken kommen: stechen zum Beispiel. Die Biene stirbt daran. Dann muss das Wachs mit einer kleinen Gabel von den Waben entfernt werden. Schließlich geht es in die Schleuder. Ich habe heute gelernt, wie ich den Oldtimer, der leider nicht in meiner Garage steht (ich besitze auch keine Garage), per Kurbel anwerfen kann. Anfangs geht es zäh, doch dann hilft die Fliekraft der Waben in der Schleuder dem Mann an der Kurbel. Dennoch ist das ein Sport, der bei regelmäßiger Ausübung zu einem Popeye-artigen rechten Oberarm führen könnte. Doch ich mache mir keine übertriebenen Sorgen, dass das bei mir der Fall sein wird. Kommen wir zum Honig. Frisch geschleuderter Honig ist eine Köstlichkeit. Er verströmt die Süße und Frische der Blüte von allerlei Gewächsen und er sieht verteufelt gut aus, wie er da zuerst zäh und dann immer üppiger aus der Honigschleuder rinnt. Je nach Blütenart verändert sich auch seine Farbe. Lindenblütenhonig zum Beispiel ist fast weiß und macht in den anderen Honig, der von anderen Blüten stammt, ein Muster, wie es der beste Patissier nicht zustande brächte. Bitter ist es für dem Jäger nach dem Süßen, wenn der Honig in der Wabe festsitzt. Da kann man dann nichts machen. Die Ernte erinnert in diesem Fall an den Mengenertrag eines LePin oder Pingus, ohne dass der Bienenstockbesitzer auch nur im Entferntesten auf eine mit den erwähnten vergleichbare Preissteigerung hoffen könnte. Die Waben mit dem Festen Honig gehen damit zurück an die Bienen, die sie bis zum letzten Tropfen ausnehmen. Vielleicht haben manche Bienenvölker einfach eine Idee gefunden, wie man den wertvollen Honig so verschließt in der Wabe, dass er beim Schleudern nicht herauskommt. Es wäre ein evolutionärer Vorteil. Denn eines muss man schon sagen, wenn man die fleißigen Bienen beobachtet, wie sie verwirrt um den Imker herumfliegen, der sie soeben um den Lohn ihrer Arbeit erleichtert. (Sie bekommen später einmal Zucker als Nahrung, damit einige von ihnen überleben.) Man muss also sagen, dass das alte Sprichwort schon seine Gültigkeit hat, dass da besagt, dass wer zuviel arbeitet, zuwenig Zeit hat zum Geld verdienen. Über das lustvolle Leben der Drohnen berichten wir ein anderes Mal. Nur soviel: ein Leben voller Sex und dann aus.