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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Dienstag, 7. Juni 2011

Am Boden

Der Gemüsemarkt, so liest man in den Zeitungen, sei am Zusammenbrechen. Die Preise für Gurken und Paradeiser halbiert, nein gefünftelt, jedenfalls devastiert und verstümmelt von der deutschen Gurken-Panikmache. Der Gemüsemarkt bricht zusammen? Er ist schon lange zusammen gebrochen. Wie ein durchfeuchteter Schemel, auf dem ein übergewichtiger, sich dem Gemüse jahrzehntelang verweigernder Käsekrainer-Fresser Platz nimmt, zusammenbricht, ist auch der Genüsemarkt längst kollabiert. Sie sagen Bio-Gemüse und erzählen uns was von Nachhaltigkeit (was für ein Wort) und meinen damit Bio-Gurken, die ein paar Tausende von Kilometern auf dem gekrümmten Buckel haben, bis sie bei uns im Billig-Preis-Regal landen. Sie erzählen uns von der gesunden Wirkung von Paprika im Winter und meinen damit die auf Plastik und Watte unter Zelten gezüchteten Monster in Südspanien. Die werden von schwarz beschäftigten Schwarzen aus Afrika gepflegt, die wegen der Schäden durch das Einatmen von Pestiziden auch einmal ausfallen und krank werden. Ihr Pech: als Schwarzer haben sie keine Rechte außer das auf mindestbezahlte Schwarzarbeit. Hier ist der Markt, auf dem sich Angebot und Nachfrage treffen sollten, schon lange am Boden. Denn man verschweigt den Menschen, unter welchen Unständen ihre Gurken und ihre Paprikas hergestellt werden, die da das ganze Jahr über im Supermarktregal liegen. Man sagt ihnen auch nicht, dass das billige Gemüse einen Preis hat, den wir alle zahlen müssen. Durch die Verpestung durch die LKWs, die von Andalusien via Hamburg nach Wien fahren. Wie auch durch die aberwitzigen Subvenationen, die sich die so genannte Agrar-Industrie jedes Jahr in Brüssel erstreitet. Der Markt ist schon lange zusammengebrochen. Er lebt nur noch dort, wo qualitätsbewusste Bauern auf qualitätsversessene Konsumenten treffen. (ar)

De Luxe

Um das karge Wissen über gutes Essen und Trinken aufzufetten, greift man gerne zu von Profis gemachten Zeitschriften. Hier machte sich das nach einer Verdi-Oper benannte Wein- und Restaurantmagazin jahrzehntelang verdient. Reden wir nicht um den heißen Brei herum, es ist der Falstaff. Dieser Falstaff ist ein rechtes Luxusbubi geworden. Er muss über massenhafte Geldsummen verfügen. Geld ist nützlich, wenn es um die Verfeinerung der Nahrungsaufnahme geht. Aber es ist nicht alles. Wo man mit Geld hinkommt, merkt man beim Mustern des letzten Covers, der ein illustriertes Pärchen  auf einer menschenleeren Strandpromenade mit einem Grill im Vordergrund zeigt. Wir merken: es ist Sommer und der Mensch hat Bedarf nach Holzkohlen-Aromen. Wir lernen aber auch viel über uns, oder wie wir uns sehen können, weil man uns auch so sieht. Wir Freunde des guten Essens und Trinkens sind alles andere als Anhänger eines etwa britischen Understatements oder einer vornehmen Unbekümmertheit. Wir sind Superlativ. Auf dem Cover lesen wir, was unsere kulinarische Welt bewegt: die "Top-Adressen in Salzburg & Co", oder die "Neue Küche", aber nicht von irgendwem, sondern von dem "jungen Wilden". Jung und noch dazu wild und das alles auf "Mallorca & Ibiza", also wen das kalt läßt, der kann sich gleich ins Tiefkühlfach oder besser ins Grab legen. So einer versteht wahrscheinlich auch nichts vom "Grillen de luxe". Auch lesen wir am Titelblatt vom "Jahrgang der Sensationen" und obwohl wir jetzt noch nicht gleich kapieren, ob wir ihn zum de Luxe-Grill-Kotelett, bei den Top-Adressen in Salzburg oder auf Mallorca & Ibiza trinken sollen, fühlen wir uns doch verstanden. Wo das Geld des modernen Genießers hingeht, ist also klar. Und wo es herkommt, auch. Denn in der Coverstory "Grillen für Gourmets" (vorher war es noch "de Luxe", ist das jetzt ein Down- oder ein Upgrading für das Grillen?) lesen wir im zweiten Absatz ein Statement eines Vertreters der Agrarmarkt Austria (AMA), bekanntlich ein Verein, der ausschließlich die De-Luxe-Top-Neue-Küche vertritt zum Thema Grillen. (ar)

Dieser Teller rettete mein Leben/Folge 3

Langoustinos, der italaniesche Mafioso-Koch sagt Scampi dazu, begleiten den Esser durch sein halbes Leben. Die Franzosen nennen ihn Langoustine und das zeigt schon einmal die sprachlichen Eleganz-Unterschiede zwischen den beiden romanischen Feinschmecker-Nationen. In den guten Lokalen in Meeresnähe bekommt man Scampi hie und da im Rohzustand, mit etwas Olivenöl und Meersalz und das soll dann auch reichen. Ducasse in Paris hat sich da mehr überlegt und ein Gericht erfunden, das seit vielen Jahren von der Speisenkarte des Plaza Athenée nicht wegzudenken ist: Langoustine, Nage reduite, Caviar osietre. Ein Gericht, so gut, dass ich locker dafür einen Bankraub begehen würde, weil es leider auch sehr teuer ist. Doch in den Banken heutzutage bekommst du gegen Waffengewalt höchstens ein paar griechische Schuldscheine ausgehändigt, also lasse ich es. Oder Wohlfart: er machte einen Langoustino-Raviolo mit Tomaten und einer Sauce Escebeche, alles so unglaublich gut, dass man die versalzenen Steinpilze, die es einen Gang vorher gab, glatt zu vergessen geneigt war. Thomas Dorfer allerdings im Mautern hat sie alle erledigt. Dorfer hat einen vom Ehrgeiz beflügelten Konflikt mit seinem Freund und Kollegen Caminada in der Schweiz auszutragen. Der kocht wunderbar (Dorfer auch) und kriegte in Kürze seinen dritten Stern (Dorfer nicht, denn der Michelin-Guide befindet Ö. nicht mehr der Prüfung wert) und außerdem hat er die besten Produzenten an der Hand. Letzteres ließ Thomas Dorfer keine Ruhe und so hat er eine Quelle gefunden, die ihm jetzt Dinge liefert, wo den kochenden High-End-Köchen der Mund vor Staunen offenbleibt. Zum Beispiel Langoustines. Ich habe diese Leute gesehen im Markt von Rungis. Sie bewohnen kleine Appartements in Transport-Kartons. Da wedeln sie, so gut es geht, mit ihren mächtigen Scheren. Wobei die auf Spitzenköche weniger beeindruckend wirken als die schiere Größe ihres, äh, Schwanzes. Die prallsten Dinger landen dann in den Küchen und auf den Tellern zum Beispiel von Ducasse oder auch Pacaud in seiner "Ambroisie" am Place des Vosges, der sie mit Sesam und Curry serviert, so dass den Gästen ein kurzes "Oh, c'est tellement bien" entfährt. Manche von diesen Jumbos landen seit kurzem in der Küche des Landhauses Bacher in Mautern. Dieses hat sich um den Verzehr des besten Krustentiers neben dem Flußkrebs immer schon verdient gemacht. Doch was da letztens auf dem Teller lag, war schon eine andere Liga. Ein fester, knackig gekochter, rundum glücklicher Langoustinenschwanz auf einer Geschichte aus Avocado und Zitrone. Es waren noch ein paar Hostien-artige Taler aus Jughurt, die wohl den feierlichen  Akt des Ganges unterstreichen sollten. Was aber gar nicht mehr notwendig war. Ein Langoustino pro Gast reicht übrigens, einmal wegen der schieren Größe und zum zweiten, wie man erzählte, weil die Damen und Herren in Rosa schon im Einkauf einen Preis haben, den wir hier nicht verraten wollen. (ar)