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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Montag, 12. September 2011

Thorsten Probost geht seinen Weg

August in Oberlech. Die Bauarbeiten an und in den Hotels rund um das wunderbare Burgvital nerven ganz schön. Müssen die Österreicher ständig irgendwo irgendwas umbauen, aufbauen und die Bauindustrie aufpeppeln. Thorsten Probost, Spitzenkoch in einem der höchsten Spitzenlokale des Arlbergs, nimmt auf der Terrasse Platz. Eigentlich ist er nur noch ein halber Küchenchef. Ich muss also die Frage stellen (wir hatten gerade ein Glas und etwas Wundervolles von einem ein gefühltes und geschmecktes Jahrhundert lang gereiften Schinken): "Thorsten, wie hast du das gemacht mit dem Abnehmen?" Probost erzählt weniger von Sport und Bewegung, sondern verweist auf das Menü, das wir am Abend zu uns nehmen werden und dann erzählt er noch von einem Mehl, auf das ihn die Lektüre eines deutschen Wissenschafters Buch brachte. Ein Mehl, das sich auf den Metabolismus energieverbrauchssteigernd auswirkte, mit einfachen Worten: man isst davon und nimmt ab. Probost, einer der intelligentesten und sprachlich gewandtesten Köche, die wir haben, schildert das genau, aber leider merke ich mir nur ein Zehntel der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Theorien. Jedenfalls erzählt er von den herrlichen Broten und auch von den Kässpätzle, die mit dem seltenen Getreideprodukt gemacht werden und dass er auch an eine größere Produktion denke. Man stellt sich das kurz vor: ein Brot mit, sagen wir Speck oder Butter, und man nimmt davon nicht zu, sondern eher ab. Probost, der Magier. Eigentlich ist er ja die männliche Kräuterhexe von Oberlech. Seine Kräuterliebe hat sich mittlerweile herumgesprochen. Im Sommer und also auch im Früh-Herbst pflückt und verwendet er, was gerade im Kräutergarten der Familie Lucian, kultivierte Gastgeber in Oberlech, oder auf den Almen wächst. Eine Kräuterwanderung wird vereinbart. Wir steigen also auf, allerdings mit dem Sessellift, ausgerüstet mit festem Schuhwerk und dem eisernen Willen, uns beim Abstieg durch die Kräuterwiesen nicht durch mangelnde Kondition lächerlich zu machen. Probost erzählt von seiner Lehrerin, der Frau Lucian senior, die bei einer Sennerin alles über die Wunderkräutlein auf den Almen erfahren hatte, und das Wissen an den neugierigen Koch weitergegeben hat. Wie sagte Frau Lucian: "Bei der ersten Wanderung schaust du dir die Gegend und die herrlichen Berge an. Dann schaust nur mehr auf den Boden."
Denn hier wachsen guter Heinrich, eine Art Spinat, wilder Thymian, Alm-Schnittlauch und allerlei kleine Pflanzen, die zu schade sind, einfach mit den Bergschuhen draufzutreten. Je nach Höhe reifen sie zu unterschiedlichen Zeiten. Wir blancieren zwischen Kuhkacke und Wasser, auf dem Weg durch das Naturschutzgebiet oberhalb von Oberlech, kosten Kräuter (nicht alle sind im rohen Zustand genießbar) und wie wir dann auf der Terrasse des Hotels sitzen, haben wir seit langem das Gefühl, ein Essen wirklich verdient zu haben. Probost kocht Rindssuppe mit Grießnockerl und streut minzbetonte Kräutermischungen drüber. Ähnlich macht er es auch mit den Kässpätzle aus dem Spezialmehl, die dunkler sind als die üblichen und natürlich wunderbar schmecken. Eigentlich nimmt die regionale Küche der Region im Repertoire des Meisters nur einen kleinen Raum ein, nicht viel größer als das Restaurant Griggeler Stube, das kulinarische Herzstück des Hauses. Da spielt der Wörther-Schüler seine Trumphe aus: Krebse mit Fenchel, ein genialer gesurter Tafelspitz mit Kren und gutem Heinrich, eine Gams mit Steinpilzen, am anderen Tag eine geniale Veltlinersuppe mit Flußkrebsen, das Tatar vom Juhu-Rind auf Zwiebeln, eine Kalbsstelze mit Bergrosmarin gebraten und Steinpilze, sowie einen Milchrahmstrudel, der so gut schmeckt, dass man jetzt lange keinen Milchrahmstrudel mehr essen kann. In jedem Gang (außer beim Milchrahmstrudel) spielt ein Kräutlein eine Hauptrolle, ohne dass es aber jemals vorlaut wird. Eine der spannendsten Küchen des Landes, vollkommen unbeeinflusst von den Moden und Märchen der Rankings und Copy-Paste-Rezepte der Zeitschriften und Starküchenchefs. Probost ist unheimlich fleißig. Wenn er nicht gerade Kräuter sucht oder einen Kochkurs gibt, bäckt er sein Brot oder kümmert sich um den Schinken vom  Schwein des Nachbarn auf der einige Kilometer entfernten Alm. Der wunderte sich einmal, dass er mit seinen köstlichen, trainierten Schweinen sogar ein bisschen Geld verdienen kann. Ein Koch als Entwicklungshelfer in hochalpinen Regionen. Bevor sie ihm in Lech das erste Verdienstkreuz überreichen, werden wir allerdings noch ein paarmal einkehren dort oben in Oberlech. (ar)

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