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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Freitag, 13. Januar 2012

Über den Gläsern von Nizza, dritter Tag abends
































Dem Flaneur fällt auf, dass Nizza platzt vor interessanten, großen und kleinen Verlockungen der kulinarischen Weise. Doch soviel kann der Mensch nicht essen. Durst hingegen hat er immer wieder, um nicht zu sagen, ununterbrochen. Es muss die Meeresluft sein. Auf der Suche nach einer Bar à Vins allerdings verzweifeln wir. Es muss irgendwo welche geben, aber keine stellt sich in unseren Spazierweg und ruft: Betrete mich. In den diversen Caves à Degustation kann man gerade mal ein Glas probieren, aber wird doch eher als Kunde gesehen und nicht als Gast, was soviel bedeutet wie: Zahlen Sie und gehen Sie. Somit ist der Trinker auf sein Improvisationstalent angewiesen, welches ohnehin ständigem Trainings bedarf, um einmal nicht im lebensentscheidenden Fall verkümmert zu versagen. Im Caviarhouse in der Nähe der Promenade besorgen wir uns eine Flasche Taittinger Rosé plus ein paar Plastikbecherchen, die nicht viel größer sind als ein Fingerhut. Das ganze in der Spätsonne mit Meeresblick. Fantastisch. Sprudel aus Plastikbehältnissen hatte ich zuletzt auf der Wiese neben dem Gymnasium. Es war allerdings Hochrieglsekt und kein Champagner. Ein guter Wind weht uns kurze Zeit später in ein Geschäft, aus dessen Innerem es verdächtig lustig schallt. Die Bar heißt Cave 35 und die Stimmung ist alles andere als im Keller. Junge Leute sprechen dem Wein und dem Champagner zu und pflegen darüberhinaus das Zwischenmenschliche. Professionell die Auswahl an glasweise veröffentlichten Weinen, ein bisschen Provence, ein bisschen Champagne, etwas Burgund und einiges aus Bordeaux. Der rote Chassagne Montrachet kommt vorschriftsmäßig kühl, was mir gefällt. Die Weine machen nicht viel her, aber Vernügen, worauf es an einem solchen Ort ja ankommen soll. Und dann das Lustige: Der eine der beiden Betreiber der Bar erzählt mir, er hätte die Idee einer gut gelaunten Weinbar mit kleinen Happen ausgerechnet aus Wien, von einem Laden neben dem Stephansdom. Ich tippe auf Wein&Co. Es gibt auch eine kleine Karte, wo Pasteten, Räucherlachs, Würste, Käse warm oder kalt und so weiter angeboten werden. Man will ja nicht verhungern beim Stillen des Durstes. Unser Käseteller allerdings hätte in Wien keine Chance. Ein paar gut ausgesuchte Stücke, aber dann das Ganze mit getrüffeltem Balsamico verunstaltet. Getrüffelter Balsamico? Ja, wenn ich es sage! Die Pastete aber ist immerhin recht okay. Noch ein Glas, gut eingeschenkt. Irgendeine Geschichte war da, die ich Ihnen noch erzählen wollte. Sie fällt mir nicht mehr ein, schade, denn sie war sehr komisch. Immer fallen dir an der Theke Sachen ein, die du spaßig findest, und am nächsten Tag sind sie weg. Zwei ausgewählt hübsche Damen fotografieren sich gegenseitig mit ihren Handys, die Serviererin des Lokals hat Probleme beim Öffnen einer Sektflasche. Aber das ist nicht die Geschichte. Vielleicht fällt sie mir ja noch ein, dann erzähle ich sie Ihnen. Und gerade fällt sie mir ein: Durch die Luke zur Küche beobachten wir den Kombüsenjungen, der ein rotes T-Shirt trägt mit der Aufschrifft: Calif Ornia. Wir denken natürlich, dass es sich bei dem Koch, der dieses T-Shirt trägt, um einen echten Kalifen handelt, der hier nur zum Spaß arbeitet, weil ihm den ganzen Tag fad ist in seinem Kalifat. Dann trinken wir noch einen Champagner. Der Kalif ist natürlich der geheime Besitzer des Ladens und er plant von Nizza aus, die Welt mit einer Kette von Cave 35 zu überziehen, mit einem Trüffelöl speienden Bohrturm als Logo. Das war jetzt, glaube ich, die Geschichte. Vielleicht hätte ich sie doch nicht erzählen sollen.
(ar)

cave 35, Rue de la Buffa 35, 06000 Nice

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