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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Donnerstag, 23. Februar 2012

Gast und Kunstmäzen




AO& sind nach gewohnten Kriterien, mit denen wir uns der Beurteilung eines Essens oder eines Lokals nähern, nicht fassbar. Restaurant gibt es nämlich keines. AO& treten mit ihrer Profiküche einmal in Containern, dann wieder in Galerien oder in unbenutzten Innenstadt-Katakomben auf. Zu essen gibt es ein streng den saisonalen Bedingungen gehorchendes Menü, das traditionellerweise mit einem Glas Leitungswasser und einer warmen Brühe aus Wurzeln eingeleitet wird. Diese Art Anti-Amuse-Bouche ist mittlerweile zu einem Signature-Dish avanciert, fixer Bestandteil eines Essens, das, sagen wir es so, auf seine Art bemerkenswert ist. Den Regionalismus in der Küche haben AO& auf die Spitze getrieben. Wenn ich jetzt vermute, dass Philipp, der Gründervater der Idee, jede Karotte und jede Rübe, die er zum Salat verarbeitet, beim Namen kennt, liege ich wohl nicht vollkommen daneben. Der Stammbaum der Flugente, aus deren Karkassen eine köstliche und mit Chili mutig gewürzte Suppe gewonnen wurde, ist den jungen Menschen an den Kochtöpfen wohl ebenso fremd wie das CV des Mangalitzaschweins, auf das ich noch zu sprechen komme. Interieurmäßig eher nach innen gekehrt ist das Ambiente, in dem das Menü etwa zwanzig Gästen serviert wird, die auf einem ungedeckten Tisch auf Eisenbänken Platz nehmen. Brot und Butter wird es erst zu einem späteren Zeitpunkt geben. Jetzt wird einmal gegessen. Die Weine kommen vom großartigen Weingut Moric und immerhin in perfekt geeigneten Gläsern von Zalto. So entdeckt auch der anspruchsvolle Esser hier keinen Kritikpunkt und freut sich, wenn er an der Kargheit dieses Happenings Spaß findet, an den kleinen Details, die jeden Gang zum Vergnügen machen. Ein kleines Schälchen ist da, darin dünne rohe Scheiben von Karotten und gelben und roten Rüben, Topinambur, rotes Paprikapulver, etwas Haselnuss und getrocknete Birne. Es erinnert etwas an die mit der Pinzette angerichteten Amouse-Bouches bei Ducasse in Monaco, die aus Salat und Rohkost bestehen. Schade nur, dass Artischoken in Österreich gerade nicht Saison haben. Nächster Gang: die erdigen Gemüse von vorhin, allerdings gekocht, gebraten angereichert mit Topinambur, die Birne ebenfalls da, allerdings diesmal gedünstet in einem köstlichen Saft. Grobes Selleriepüree. Ruft da jemand am Tisch nach einem Schnitzel? Nein, die Tischgesellschaft, die sich aus Designern, Kreativen, kulinarischen Existenzialisten und ähnlichen Gestalten zusammensetzt, isst, was auf den Tisch kommt. Der nächste Gang hat wieder Gemüse, eine Scheibe gegrilltem Frischkäse von der Kuhmilch und eine entfernt an Sterz erinnernde Masse von etwas, das angeblich als Schweinefutter verwendet wird, dazu eine Scheibe Lardo vom Manalitzaschwein und Linsen. Der Mensch isst sich durch die Nahrungskette. Wurzeln - Gemüse - Getreide - Milch - Innereien - Fleisch. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich, auch dank des Weins, der großzügig herumgereicht wird. Nach fünf Tellern eine erste Andeutung von Fleischlichem: Entenleber mit Mohn und einer Blutorangenscheibe, sehr gut. Die Nichtvegetarier am Tisch fassen Mut. Wir wechseln vom weißen Hauswein, der aus 90 % Veltliner und 10% Chardonnay besteht, zum Blaufränkischen. Eine Scheibe von der Flugentenbrust mit Pilzen, dazu auch ein gebratener Erdäpfel und ein schöner Auszug aus den Aromen von Pilz und Ente, wobei die Brust durchwegs muskuläs ist, sodass nach dem Herumkauen auf einer Scheibe der Appetit auch schon gestillt ist. Jetzt also das Schwein. Stücke davon wurden zart gedünstet, der Saft riecht und schmeckt nach den unverfeinerten Bratensäften aus der Hausfrauenküche, ein Auszug aus lokalen Gewürzen unter Verzicht auf cross-over-artige Einflüsse. Die Aromen kommen hier von den Gemüsen, kernweich gekochten Teigwaren und Bergkäse, der in das warme Gericht hineinschmilzt. Das ist gut, sogar sehr gut und ich kann es mir nicht leisten, von dem Saftl, das am Ende mit den Aromen von Rüben, Fleisch und Käse getränkt ist, einen Tropfen zurückgehen zu lassen. Man hat uns gewarnt, dass ein Teil des Menüs an einem anderen Ort serviert würde, zu dem sich die Tischgesellschaft zu Fuß begeben werde müssen. Geduldig leeren wir unsere Gläser und schlüpfen in die Wintermäntel. Wie gut, dass es draußen jetzt nicht stürmt oder eisregnet. Wie klug auch von den Damen, nicht in High Heels zu diesem kulinarischen Happening erschienen zu sein. Eine Viertelstunde gehen wir in schnellem Tempo durch eine Gegend, von der ich zu Recht behaupten kann, dass man sie nicht kennen muss. Ein aufgelassenes Fabriksgebäude. Fünf Stockwerke zu Fuß. Die Räume sind hoch, nach drei Stockwerken bin ich überzeugt, das gerade verzehrte Menü bereits abgearbeitet zu haben. Es riecht nach Textilfertigung. Ein kleiner Raum, diffuses Licht. Hier findet nun der finale Akt des Abendessens statt, der in einer Platte mit Käse aus Vorarlberg und einem Ziegel Rohmilchbutter sowie einer Holzschüssel besteht, in der es wirklich gutes Brot aus der Bäckerei Josefs Brot gibt. Froh, die fünf Stockwerke hinter sich zu haben, durstig auf Velichs Rotwein und glücklich über den ersten Bissen des mit ordentlich Butter bestrichenen Käsebrots stellt man sich manche Fragen gar nicht erst. Zum Beispiel die, ob es in Wien nicht spannendere Locations gibt als eine aufgelassene Fabrik, wie du sie in Berlin oder in der Vorstadt von London womöglich auch findest. Nächstes Mal wünsche ich mir AO& in einem ausgelassenen Swimmingpool eines Hallenbades oder in einem abgefuckten Palais einer verarmten Patrizierfamilie. Ist es Kulinarik, ist es Kunst? Der angenehm gefüllte Magen weist dann doch eher auf ersteres hin. Der Preis für den Abend wiederum lässt mich kurz das schöne Gefühl des Mäzenatentums spüren. 100,- pro Person. Rechnung gibt es keine. (ar)


www.aound.net

Samstag, 18. Februar 2012

Unterirdisch





Brauchst du abends etwas Ernüchterung, einen kleinen Ärger einfach vor dem Zubettgehen, dann schau doch in die Albertina Passage. Der Doorman sieht aus wie die Bedauernswerten, die in den Filmen mit Jean Reno oder Daniel Craig schon in den ersten zehn Sekunden verprügelt werden. Das erweckt Mitleid, aber nicht Sympathie. Drinnen rempeln Erwachsene mit halbwüchsigem Benehmen beim Anstellen an der Garderobe. Wir, durstig und guter Dinge, lassen die Garderoben links liegen und betreten durch einen schlauchartigen Gang das Lokal. Ein weißes Klavier, unbesetzt, eine leere Bühne, dafür undefinierbare Musik aus der Dose. Die Freunde warten. Doch mir bleibt gerade zum Hallo-Sagen Zeit, denn eine groß gewachsene Dame in Schwarz nähert sich und fordert auf, den Mantel an der Garderobe abzugeben. Warum? Der Chef will es so. Wo ist der Chef? Igendwo. Er will es so. Man könnte ja die Mäntel auch dezent neben den Bänken ... Nein? Ich kriege diesen österreichuntypischen Appetit auf Servicierung, der mich auch auf Autobahntankstellen als einziger auf den im unverschämten Spritpreis inkuldierten Tankwart warten lässt. Sage also, wenn die Mäntel hier nicht reindürfen, dann können man sie gerne zur Garderobe bringen lassen. Spätestens um diese Zeit taucht dann in Lokalen, die wirklich internationales Niveau haben und es sich nicht einfach nur anmaßen, ein Servicemitarbeiter auf, nimmt den Gästen die Mäntel ab, bringt sie zur Garderobe und kommt mit dem Garderobenzettel zurück.Geht nicht, so die Große. Wir müssen die Mäntel selbst hinbringen, uns selbst anstellen. Warum? Weil es nicht geht. Schnell ist entschieden: Dann gehen wir. Wie Buben, die sich nicht benehmen können, werden wir von der Lehrerin zum Ausgang eskortiert. Ich frage mich jetzt: Sahen wir aus, als ob wir einen gespritzten Apfelsaft bestellen würden oder randalieren, dass wir behandelt werden wie 14-Jährige in der Landdisco? Vielleicht ist es so, immerhin ist ein Haken meines Tufflecoats abgerissen und das Lederband mit der weißen Schnur hängt gefährlich weg, als hätte ich mich gerade auf der Straße geprügelt. Aber es könnte ja trotzdem sein, dass wir gerade im Internet eine Milliarde verdient haben. Oder, wenn ich das Publikum hier richtig verstanden habe: dass der Papa gerade eine Milliarde gemacht hat. Andere Frage: Casht die Albertina Passage jeden Abend so viel, dass sie es sich leisten kann, mit Gästen umzugehen wie eine Landdisko in Tamsweg, mit Gästen, von denen man ja nie wissen kann, ob sie nicht gegen elf Uhr abends noch Lust auf ein paar Flaschen Roederer Cristal kriegen? Oder ist es einfach Wien, wo das Bemühen um Niveau mit wenigen Ausnahmen fast nie übers Kellergeschoß hinauskommt? Eigentlich wollte ich über das Essen in der Albertina Passage schreiben. Das spare ich mir jetzt mit der Ergänzung, dass es laut verlässlichen Informanten nicht besonders sein soll. Aber dem "Chef" (ich meine damit nicht Reinhard Gerer, der angeblich fürs Küchenkonzept verantwortlich ist), der die Gäste bei der Garderobe warten lässt, ist das wahrscheinlich so gleich wie es mir ist, wenn ich die Angelegenheit, sagen wir, von Hong Kong oder Buenos Aires oder vom Mars aus betrachte (ar)

Donnerstag, 16. Februar 2012

Dem Franzos einen Stoß

Der milde Hass der Österreicher auf die Franzosen kommt ja nicht von ungefähr. Marie Antoinette, Napoleon, Versailles, die Sanktionen. Dieses über Generationen währende Mißtrauen, um nicht zu sagen, Angst oder Antipathie macht den Frankreich-Urlaub fast österreicherfrei. Ein Vorteil. Doch ich verliere mich in Details. Kommen wir zur Sache, zur französischen Küche in Wien. Was soll man dazu sagen: Bonjour Tristesse. Vor ein paar Monaten haben sie uns etwas Neues eröffnet. Französische Bistroküche im gekachelten Ambiente eines kleinen Ladens im Palais Ferstel. Beaulieu heißt das kleine Lokal und von Anfang an waren alle begeistert. Ich war dann einmal dort, bestaunte die Auswahl an kleinen, wohlfeilen Weinen und andere Spezereien aus französischer Produktion. Dann bestellte ich einen Aperitif, irgendwas mit Champagner und Pastis. Ich hatte vorher noch nie von dieser Kombination gehört und das, wie ich mir sagen musste, vollkommen zu Recht. Das Zeug schmeckte nämlich scheußlich. Auf der Karte las ich dann, dass es zu allem und jedem auch Baguette gibt, was in keinem französischen Bistro oder Restaurant eine Erwähung wert wäre. Ich ging. Vor kurzem ein zweiter, diesmal ernsthafter Versuch. Das Lokal voll ein Austernbecken. Der Service ausnehmend freundlich. Wir dürfen vor der Vitrine Aufstellung nehmen, auf den frei werdenden Tisch warten, und bestellen erst einmal Rosachampagner und eine Quiche gegen den aufkommenden Hunger, die da in der Auslage liegt. Der Champagner kommt in Sektschalen, die Quiche ist ausgesprochen gut, sodass wir uns an eine weitere Sache wagen. Gänseleberparfait, das allerdings eine Dame, die wohl eine Katze zuhause hat, an die Erzeugnisse von Sheba erinnert. Ich selbst besitze ja nur Stofftiere, kann mir aber ausmalen, dass der Vergleich nicht als Kompliment gemeint ist. Der Tisch wird frei. Wir bestellen eine Dose Sardinen, etwas von der Bueurre d'Isigny und Baguette, dann ein paar Hauptspeisen. Bei Sardinen, bei der Butter aus Frankreich und beim Baguette kann fast niemand etwas falsch machen, also machen sie auch im Beaulieu nichts falsch. (Man muss das aber relativieren. Die meisten Baguettes in den Wiener Restaurants sind lasch oder trocken, die Butter schmeckt nach gar nichts.) Die Hauptspeisen dann eine Aspern-artige Niederlage. Das Faux-Filet (auf deutsch Beiried) kommt auf matschigen Bratkartoffeln und ist zäh wie die sprichwörtliche Schuhsohle. Unessbar. Eine Lammstelze ist roh, zäh sind beide, ein Couscous ist lauwarm und würzlos. Wir haben schon die dritte Flasche in Arbeit, einen Sehr-OK-Roten aus der Rhonegegend zum Preis von 15,-, aber das nimmt uns nicht die Sicht auf die Realität. Und die Realität ist: wenn ich in Wien akzeptabel französisch essen will, bleibt mir leider weiterhin nur Schwechat. Ich meine den Flughafen. (ar)

Mittwoch, 15. Februar 2012

Neulich am Wallersee






Gerade unter Buchstabenträgheit leidend. Über das wunderbare Fischrestaurant Winkler zu erzählen habe ich außerdem schon oft genug gemacht. Sagen wir es so: Fisch ohne Schick und krude Ideen, wie es die Salzbourgoisie liebt. Kein Seeteufel, keine Jakobsmuscheln. Auch ich ziehe gerne mein geistiges Lodenjankerl an, wenn ich am Ufer des Wallersees den Anker auswerfe. Die Speisenfolge ist fast immer gleich. Nur die Vornamen der Schnecken, der Krebse und der Fische ändern sich. (ar)

www.winkler.at