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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Freitag, 23. März 2012

Montrachet statt grünem Tee


Im Fux in Lech steht der Gast am Stiegenansatz und somit vor zwei Alternativen: Steak oder Sushi. Ich nehme nicht die linke Abzweigung, sondern steige die Stiegen hinauf. Denn die asiatische Kost in dem kubusartigen Gebäude, das dem chaletartigen Stil der Lecher Hotellerie einen architektonischen Widerspruch entgegenhält, sich aber letztendlich nicht traut, wirklich konsequent urban zu sein (die Tischtücher!) , hat einen guten Ruf. Patron Strolzens Stolz aber ist die Weinkarte. Ich blättere ein bißchen und wenn ich nicht schon Platz genommen hätte mit Blick auf die offene Küche, würde es mich spätestens jetzt niedersetzen. Kennen Sie zum Beispiel das Weingut Romanée Conti? Natürlich tun Sie das, Sie würden sonst keine Veranlassung haben, diesen Blog zu lesen. Weine dieses Weinguts kann sich nur der eine oder andere Scheich oder chinesischer Neumilliardär leisten, denn sie sind wirklich teuer, weil sie rar sind. Le Montrachet zum Beispiel ist so einer und von dem stehen jetzt an die vierzig Positionen (oder sind es sechzig) auf der Weinkarte, verschiedene Jahrgänge eben und so geht es weiter. Wer hier auf die Idee kommt, zu den asiatisch inspirierten Speisen etwa Bier oder gar grünen Tee zu bestellen, verpasst einige der besten Weine seines Lebens, soviel ist sicher. Sehr gut ist dann der erste Klassiker des Hauses, eine Rolle aus Seetang, Reis und King Crab, knusprig, delikat, so wie man es in Wien nur im Yohm kriegt und sonst wahrscheinlich kaum noch wo. Die Küche schiebt ein Spießchen mit Kalbsbries ein. Die Krebse beim nächsten Gang sind okay, stammen aber leider nicht aus der Lecher Krebsenquelle, sondern sind arme kleine Kerle, die von irgendwoher kommen. Der Skrei mit einer überschäumenden Sauce, die nach Curry duftet, und Pakchoi, ist wunderbar. Alles das ist keine High-End-Asia-Küche wie man sie in Österreich eh nicht bekommt, aber halt in Berlin bei Raue oder im Londoner Harkazan. Aber gut gekocht wird im Fux allemal, sogar sehr gut. An der Bar arbeitet Alexandra Bisenz, die ihre Fans aus der Wiener Bar Italia schon ziemlich vermissen. Als ich den dritten Drink bestelle, den sie wie die beiden zuvor ohne feste Rezeptur komponiert, schmecke ich auch, warum.
(ar)

Sonntag, 11. März 2012

Dr. Schiwago und das Blutwurstpulver


Die Rote Wand im Lecher Ortsteil Zug präsentiert sich von außen als romantische Unterkunft, hat aber ein komfortables Innenleben nach den neusten Entwürfen der Architektur und Technik. Im Restaurant des Hauses führen sie eigentlich zwei Restaurants. Das eine, traditionsverbunden, bietet nach Vorbestellung mehrere Ausführungen des Themas Fondue an. Während das andere, das mich naturgemäß mehr interessiert, sich der modernen Küche verschrieben hat. Als mir der gut disponierte Ober zum Aperitif einen Wein einschenkt, der auf den Namen "Schiwago" hört, was sich aus den Anfangssilben der Worte Schi, Wandern und Golf ergeben hat, streuben sich noch nicht meine Nackenhaare, die sonst ein zuverlässiger Indikator beim Auftreffen auf Schickimicki-Gastronomie sind. Der Wein schmeckt leider gar nicht, so entsäuert wie er wurde, hat er den Reiz eines kastrierten Katers. Ansonsten ist die Weinkarte ausgesucht und reichhaltig bestückt, allerdings auch so kalkuliert, dass nur der Oligarch bedenkenlos daraus bestellen kann. Wir nehmen einen Morey St.Denis von Dujac 2005, der sich als recht robuster Bursche erweist. Mit der Küche weiß ich vom ersten Augenblick nicht viel anzufangen. Schon ja, der Chef kann kochen, aber was stellt er da mit seinem Talent an? Kaum ein Gericht, wo er sich nicht als Liebhaber von Verpackungen in Form von knusprigen Teigen, Brösel, Pasta oder gelierten Flüssigkeiten erweist. Das macht zum Aperitif noch Spaß, wenn man in ein "russisches Ei" beißt, das mit Salzburger Kaviar gekrönt wurde, doch schon beim Amuse Bouche ist es zuviel der gefüllten, gebackenen Sachen, die vor allem nicht davon abkenken, dass die gereichte Karottensuppe ganz schön langweilig geraten ist. Eine Consommé mit Bergkäse erweist sich gut gelungen, aber warum lässt man sie nicht wie sie ist und gibt ein hertes Pastetchen vom Bries hinein, dessen Geschmack dem Käse keine Chance lässt. Bodenseezander mit Blutwurst liest man im Menü. Der Fisch ist ordentlich gebraten, aber statt einer rustikalen Scheibe Wurst gibt es Bluzwurstpulver (!), was sehr befremdlich schmeckt. Auch der Paprika - wieder in Knusperröllchen verpackt - will nicht so recht dazu passen. Ein Sauerkleesorbet erweist sich als einziger Gang ohne Kritikpunkte. Denn zu den kleinen Stücken von der Gamsschulter gibt es eine Creme von Ofenkartoffeln, die wiederum in gebackene Kartoffelwürfclchen gehüllt ist. Danach noch einmal Gams, diesmal der Rücken (tolles Produkt), eingehüllt (natürlich) in etwas klein geackten Speck, begleitet von einem lustigen Espuma aus Reisetbauers Williamsbirne. Lobenswert ist das Bemühen, nur Bergkäse anzubieten. Detto das Dessert, eine Apfeltarte mit nicht zuwenig Vanillesauce. (ar)


Samstag, 10. März 2012

Britische Dezenz in Lech: Kristiania


Das Hotel, das von außen den Charme der Siebziger verströmt, liegt auf einer kleinen Anhöhe. Was soll daran besonders sein, frage ich mich. Doch drinnen hat Getraud Schneider mit Hilfe ihrer Mutter Sammelleidenschaft ein von warmen Farben, Kunst und mit Wissen zusammengetragenen Möbeln ein Refugium für Gäste geschaffen, denen das Laute und Protzige widerlich ist, wobei man in Lech nur selten auf derlei Offensichtlichkeiten stoßen wird. Das Zusammenspiel von Steinböden aus alten Zeiten und neuzeitlich gedeckten Tischen, die Bar, alles das lässt den Gast von der ersten Minute an sich zu Hause fühlen. Der Barkeeper ist ausgezeichnet, überhaupt ist die Barkultur des Ortes vergleichbar mit Hamburg, München oder Wien. Es sind die besten Keeper, die hier Saison haben, und für ein verständiges Publikum nicht nur Gin Tonics zubereiten. Die A-la-carte-Abteilung des Hauses ist winzig, ein paar Tische mit gutem Blick über das nächtlich beleuchtete Lech. Dom Perignon als Aperitif ist obligat und als ich mit Sabrina, der Sommeliere plaudere, kriege ich einen ersten Eindruck von der Philosophie des Hauses. Vom Besten sollte es halt irgendwie sein, aber ohne viel Aufhebens, bitte. Eine Weinfolge wird es zum Essen geben, wie sie nicht einmal am Arlberg selbstverständlich ist. Ein roter Burgunder gleich zum zweiten Gang, ein Semillon aus Bordeaux, ein herrlicher Barolo. Noch eine Woche in Lech und ich habe mich daran gewöhnt und kann nicht mehr nach Ostösterreich zurück. Andererseits: wäre das so schlimm? Der Küchenchef hat sich der Moderne verschrieben. Vieles, was gerade en vogue ist, kommt im Kristiania auf den Teller, allerdings mit Kenntnis und Geschmack zubereitet. Schon beim Gebäck sage ich wow. Sie haben wirklich die herrlichen Flutes, die französischen Minibaguettes, die gemeinsam mit etwas Butter zum festlichen Ritual eines guten Essens gehören. Das erste Amuse Bouche, bestehend aus dem Modegemüse Blumenkohl vulgo Karfiol in verschiedenen Texturen mit Mandelpulver gibt es auch für Pensionsgäste, und ich schließe daraus, dass die Halbpension des Kristiania so wie die der Post oder des Burgvital zu den besten in Lech gehören muss. Sehr gut gefällt das Beef Tatare mit Petersilcrème vulgo Espuma und Artischoken. Auf den nächsten Gang war ich besonders gespannt: Mont d'Or mit Schwarzwurzeln und Dashibirne. Ein Käsegang an einer ungewöhnlichen Stelle im Menü, aber doch sehr gelungen, wenn man von den extrem al dente gegarten Wurzeln absieht. Saibling aus dem Lecher Fischteich gibt es als nächstes, mit einer delikaten, runden Sauce, winzigen in Safran gegarten Karfiolröschen, Mandeln und allerlei an delikaten Begleitern. Das gefällt. Beim Sandwich von der Kalbsstelze, der nichts anderes ist als eine Art Confit in zwei winzigen, getoasteten Schwarzbrotscheiben stelle ich fest, das mit dem Würzen da und dort sehr zurückhaltend umgegangen wird, was aber nicht soviel macht, wenn es auf das Gericht schwarze Trüffel geregnet hat und die grünen Bohnen samt Bohnenkraut so gut schmecken wie sie es hier tun. Jean Francois, der Patissier, muss ein kleines Genie sein, denn die Schokoladeschnitte, eine Art Marsriegel mit Bananeneis und Popcorn ist außergewöhnlich gut, wie auch das zweite Dessert vom Apfel. Ein dezent luxuriöses, kosmopolitisches Haus. Ein bißchen britisch halt, wie viele der Gäste. (ar)

Dienstag, 6. März 2012

Der untertriebene Luxus des Gasthof Post


Woran erkennt man ein wirklich gut geführtes Haus, eine mit Bedacht auf jedes Detail achtende Küche? Ich esse auf der Terrasse des Gasthofs Post einen Schweizer Wurstsalat und sage: Am Schweizer Wurstsalat sollt ihr sie erkennen. Perfekt geschnitten, gute Ware, gekonnt mariniert, stilvoll serviert. So will ich es. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Dichte an hervorragenden Hotels und Restaurants in Lech am Arlberg ihresgleichen in Europa sucht. Zu den besonders hervorragenden Häusern zählt der Gasthof Post. Hier pflegt die Familie Moosbrugger seit Generationen einen 5-Sterne-Luxus ohne einen Hauch von Vulgarität oder Größenwahn, wie man beiden in den Alpen leider nur zu oft begegnet. Schon das unscheinbare Portal des Hotels deutet an, womit es der Gast zu tun bekommen wird, und Understatement herrscht auf allen Ebenen, sogar die Bäder mit eingeschleuster Dampfbadkabine und Wirlpool tun so, als wären sie das Selbstverständlichste auf der Welt. Ohne viel Aufhebens hat Florian Moosbrugger auch eine Servicemannschaft um sich geschart, die den Gast auf Händen trägt, ohne dass der den Boden unter den Füssen verliert. Als ich vor vielen Jahren in der Poststube einen winterlichen Tee nahm, war ich erstaunt über die Zeremonie, mit der heißes Wasser mit Kräutern zu einem Hochamt werden kann. Später verstand ich, warum das so ist, ja, so sein muss. Die Familie Moosbrugger hat seit immer schon einen hohen Anteil an britischen Gästen, weshalb man sich um die Einhaltung gewisser Riten bemüht, die von der menschlichen Zivilisation nicht mehr wegzudenken sind. So bittet man jeden Tag um vier Uhr zum Tee für Hausgäste, feinste Sandwiches und ein göttlicher Topfenstrudel included. Gestern Abend bat die Familie Moosbrugger also zum Cocktail. Es war ein diplomatischer Empfang ohne Staatsvertreter. Die Gäste im feinsten Zwirn hielten Sektgläser in der Hand, die mit dem Schaumwein Michael Moosbruggers gefüllt waren, der auf Schloss Gobelsburg eines der besten Weingüter des Landes führt. Sandra und Florian Moosbrugger, drei Generationen, Christl Moosbrugger als stille Teilnehmerin, moderierten zwanzig Minuten lang, über die Aktivitäten in der kommenden Woche geplant seien. Zweisprachig. Am Mittwoch geht es nach dem Essen zum Curling, wobei - gang britisch - der Gewinner den Verlierer zum Glühwein einladen darf. Donnerstag wird es eine Weinverkostung geben. Die Zeremomie hat etwas Unvergleichliches, ein familiäres Ritual, wie man es um die vorige Jahrhundertwende in den großen Hotels der Welt gepflogen haben muss. Am Schluss wurde die silberne Medaille für zehn Jahre Post-Treue an einen Gast verliehen. Ein Ansporn für die anderen. In einer Zeit, wo in anderen Tophotels, die von ahnungslosen Controllern aus der Konzernzentrale geführt werden, die Hoteldirektoren wechseln wie die Jahreszeiten, ist es ein echtes Vergnügen, der Familie Moosbrugger bei ihrem Wirken zuzusehen. Am Abend davor lernte ich in der Poststube, dem à-la-carte-Restaurant des Hotels, wie Michael Spirk, Küchenchef, der nun auch schon seit ein paar Jahren im Amt ist, mit dem leichten Druck der Tradition dieses Hauses umgeht. Moderne ohne Moderinismen. Niemand kann der Karte vorwerfen, sich zu sehr aufs gestern zu konzentrieren. Da war eine Komposition aus roten Rüben in verschiedenen Aggregatszuständen mit Wälderkäse und Erwin Gegenbauers hocharomatischen Johannisbeerkernöl - quasi der Lecher Gegenentwurf zum im Sommer allgegenwärtigen Caprese. Ravioli auf cremigem Spinat und reichlich schwarzer Trüffel gefielen sehr, eine Kombination aus Karotten und Bergamotte nicht minder, allerdings hatte das Tatar von der Zuger Lachsforelle gegen deren kräftige Aromen wenig Chancen. Wunderbar eine intensive Sauce aus Krustentieren, die zu Garnele und Seeteufel gereicht wurde, eine Freude das Filet vom Hirschen. Hirsch oder Reh müssen sein, denn überall im Haus begegnet man den Trophäen aus einer langen Geschichte der freundschaftlichen Beziehung zur Jagd. Auch der Weinkeller ist voller Trophäen. Die gastfreundlich bemessenen Kalkulationen der Weine machen es schwer, nicht noch weitere eine Flasche zu bestellen. Und Maitre-Sommelier Gernot II (Gernot I ist der Vater von Stefan Brandtner aus Salzburg) hat auch gar nichts dagegen einzuwenden. Montrachet oder Meursault - warum nicht beide? (ar)