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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Sonntag, 11. März 2012

Dr. Schiwago und das Blutwurstpulver


Die Rote Wand im Lecher Ortsteil Zug präsentiert sich von außen als romantische Unterkunft, hat aber ein komfortables Innenleben nach den neusten Entwürfen der Architektur und Technik. Im Restaurant des Hauses führen sie eigentlich zwei Restaurants. Das eine, traditionsverbunden, bietet nach Vorbestellung mehrere Ausführungen des Themas Fondue an. Während das andere, das mich naturgemäß mehr interessiert, sich der modernen Küche verschrieben hat. Als mir der gut disponierte Ober zum Aperitif einen Wein einschenkt, der auf den Namen "Schiwago" hört, was sich aus den Anfangssilben der Worte Schi, Wandern und Golf ergeben hat, streuben sich noch nicht meine Nackenhaare, die sonst ein zuverlässiger Indikator beim Auftreffen auf Schickimicki-Gastronomie sind. Der Wein schmeckt leider gar nicht, so entsäuert wie er wurde, hat er den Reiz eines kastrierten Katers. Ansonsten ist die Weinkarte ausgesucht und reichhaltig bestückt, allerdings auch so kalkuliert, dass nur der Oligarch bedenkenlos daraus bestellen kann. Wir nehmen einen Morey St.Denis von Dujac 2005, der sich als recht robuster Bursche erweist. Mit der Küche weiß ich vom ersten Augenblick nicht viel anzufangen. Schon ja, der Chef kann kochen, aber was stellt er da mit seinem Talent an? Kaum ein Gericht, wo er sich nicht als Liebhaber von Verpackungen in Form von knusprigen Teigen, Brösel, Pasta oder gelierten Flüssigkeiten erweist. Das macht zum Aperitif noch Spaß, wenn man in ein "russisches Ei" beißt, das mit Salzburger Kaviar gekrönt wurde, doch schon beim Amuse Bouche ist es zuviel der gefüllten, gebackenen Sachen, die vor allem nicht davon abkenken, dass die gereichte Karottensuppe ganz schön langweilig geraten ist. Eine Consommé mit Bergkäse erweist sich gut gelungen, aber warum lässt man sie nicht wie sie ist und gibt ein hertes Pastetchen vom Bries hinein, dessen Geschmack dem Käse keine Chance lässt. Bodenseezander mit Blutwurst liest man im Menü. Der Fisch ist ordentlich gebraten, aber statt einer rustikalen Scheibe Wurst gibt es Bluzwurstpulver (!), was sehr befremdlich schmeckt. Auch der Paprika - wieder in Knusperröllchen verpackt - will nicht so recht dazu passen. Ein Sauerkleesorbet erweist sich als einziger Gang ohne Kritikpunkte. Denn zu den kleinen Stücken von der Gamsschulter gibt es eine Creme von Ofenkartoffeln, die wiederum in gebackene Kartoffelwürfclchen gehüllt ist. Danach noch einmal Gams, diesmal der Rücken (tolles Produkt), eingehüllt (natürlich) in etwas klein geackten Speck, begleitet von einem lustigen Espuma aus Reisetbauers Williamsbirne. Lobenswert ist das Bemühen, nur Bergkäse anzubieten. Detto das Dessert, eine Apfeltarte mit nicht zuwenig Vanillesauce. (ar)


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