- - -
Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
- - -

Freitag, 13. April 2012

Go Westcork!






Barbara kann man gut verstehen. Das liegt nicht nur daran, dass sie ein perfektes, dialektfreies Englisch spricht und ein einwandfreies Deutsch. Letzteres spricht sie, weil sie vor fast zwanzig Jahren aus Deutschland nach Westcork ausgewandert ist, in ein freundliches 195-Seelen-Dorf namens Union Hall. Hier arbeitet sie als Fremdenführerin. Irland hatte es ihr schon lange angetan, auf der Uni forschte sie über den Nordirlandkonflikt. Dann entschied sie sich, gemeinsam mit ihrem Mann für ein Häuschen auf einer Halbinsel am Meer. Besucher führt sie nur noch in seltenen Fällen durchs Land, aber wenn man das Glück hat, erfährt man alles über Irland. Über die Wahrheit hinter der Katastrophe von Londonderry ebenso wie über die Frage, wie man in Irland den Führerschein macht oder einfach nur eine gute Adresse fürs nächste Pub. Barbaras Adresse sei hier nicht angeführt. Wer sie treffen will, muss sich schon die Mühe einer eigenen Recherche machen. Verstehen kann man sie jedenfalls gut. Die Dinge, die ich in ein paar Tagen zu sehen kriege, sind phantastisch und berührenend.

Westcork hat früher ordentlich aufgezeigt, als Gott die schönsten Wiesen und Küsten am Meer an die Länder verteilte. Glück hat die Gegend auch, dass sie so abseits des Mainstreams liegt. Autobahn null, Massentourismus ausgesperrt. Barbara kennt die Hälfte der Leute hier, was auch daran liegt, dass es einfach nur wenige Leute gibt. Eine Siedlung mit knapp 200 Leuten ist ein Dorf, mit 2000 Einwohnern ist man schon eine richtige Stadt. Wir zum Beispiel Skibbereen, welches ziemlich im Zentrum des Geschehens liebt und fast soviele Pubs hat wie Einwohner (Union Hall hat immerhin fünf Pubs.) Das Pub hat eine zentrale Rolle in der Gegend. Es nährt die Leute mittags und abends mit selbstgemachten Sachen, manche schmecken richtig gut. Viel wichtiger aber, es dient als soziale Wärmestube in harten Zeiten. Und die Zeiten sind in Irland immer irgendwie hart.

Jetzt beutelt das Land gerade die Wirtschaftskrise. Vor jeden dritten oder vierten Haus steht das Schild "For sale", die Immobilienleute haben eine Menge zu tun. Manche im Boom begonnenen Gebäude stehen halb fertig da, andere verrotten. Doch das Wunderbare ist, es ficht niemanden an. Die Iren waren Armut immer gewohnt, erzählt Barbara. Jetzt sind sie wieder arm, nachdem sie kurze Zeit Geld hatten. Es macht ihnen nichts. Selten erlebte ich eine geballte Ladung an guter Laune, Freude am Leben und Reden und vor allem an der Musik wie hier. Ein Flachmob an Musikern und Tänzern, die in einem Pub auch zur Mittagszeit die Handlung an sich reißen, ist hier nichts Außergewöhnliches. Die Gastfreundschaft auch in der entlegensten Gegend ist auffallend und ungewohnt, wenn man in Österreich lebt, wo am Land um acht Uhr Sperrstunde ist. Die Iren haben auch Sperrstunden und weil sie katholisch sind, nehmen sie diese auch ernst. Aber sie wissen auch, wie man sich`s richtet. Lokalkontrollen werden angekündigt. Es werden am Sonntag viele Feste gefeiert, denn wo ein Fest ist, gibt es mit der mittäglichen Sperrstunde Ausnahmen. Das Pub ist wie gesagt die Wärmestube in harten Zeiten. Es hilft besser als Fernsehen.

Noch beliebter als an der Tresen bei einem Pint zu stehen ist der Tanz. Sie tanzen und singen überall. An jedem Wochentag findet in einem anderen Lokal ein Tanzabend statt, bei dem sich die Generationen mischen und man den Verdacht nicht los wird, die Leute hier hätten alle Talent. Das Talent, aus der Gegend, in der sie leben, viel zu machen, haben sie allemal. Vor allem die lokalen Produzenten, die ein beeindruckendes Ouevre aus dem Meer und der Landwirtschaft vorlegen. Slow Food, die Organisation für besseres und nachhaltig produziertes Essen, hat viele Anhänger in Westcork. Viele von ihnen sind schon in den guten Läden in Dublin, London oder Paris vertreten. Andere warten noch auf die Entdeckung. Besser, man lässt sich damit nicht zu lange Zeit. (ar)