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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Freitag, 11. Mai 2012

There's the Beef!


In Siena kaufe ich mir einen weißen Hut. Der Preis von zehn Euro muss amortisiert werden, also trage ich den Hut auch auf meinem Spaziergang in Florenz, in das ich von Siena übergewechselt bin. Der weiße Hut schafft mir zwei Bekannte aus den USA. John und Ann, beide unterrichten an amerikanischen Unis. Ihnen gefällt der Hut, also laden sie mich auf ein Glas Prosecco ein, eine Erfrischung in einer kleinen Enoteca unweit der Via Tornuabuoni. In einer anderen Seitengasse dieser mit Prada, Zegna und Todd's vollgestopften Einkaufsmeile befindet sich der unscheinbare Eingang des Restaurants Buca Lapi. Francesco Ricasoli empfahl es mir einmal als beste Adresse für Bistecca Fiorentina, nicht wissend, dass ich zufällig schon anläßlich der Maturareise dort essen durfte. Ob mir damals die Bistecca geschmeckt hat oder nicht daran kann ich mich nicht mehr erinnern, denn der sensorische Eindruck wurde durch große Mengen vom Santa Christina, Antinoris Billigchianti relativiert. Ann und John hatten noch nie Bistecca in Florenz. Weil ich ein durch und durch guter Mensch bin, dem die geteilte Freude ein doppeltes Vergnügen ist, lehne ich ihr Ansuchen, mich zum Essen begleiten zu dürfen nicht ab. Ann besitzt kulinarische Vorbildung, sie speiste in Frankreich bei Alain Chapel, dessen Restaurant für sie das Beste überhaupt ist. Auch in Paris kennt sie sich aus. Während John, früher Rechtsanwalt, jetzt Professor der Theologie, eher einen asketischen Eindruck auf mich macht. Ich werde ihn in Kürze erleben, wie er vor Freude über gutes Essen und guten Wein sich seiner italienischen Wurzeln besinnt. Bistecca Fiorentina, so erzählte mir der Baron Ricasoli, ist alles andere als eine toskanische Spezialität. Sie war früher das Essen der Reichen in Florenz, während sich die Bauern der Toskana das teure Rindfleisch nicht leisten konnten und nahmen, was sonst so herumlief: Hühner, Schweine, Lämmer. Die beste Bistecca kommt vom Chianinarind, einem Herkules unter den Rindviechern, in nichts zu vergleichen mit den jämmerlichen Ochsen nördlich der Alpen. Tut mir leid, Ihr Waldviertler Ochsen und Schneebergrinder! Selbst durch konsequetes Dry Aging kommt euer Fleisch nicht mal in die Nähe des Fiorentinasteaks, das ich bei Buca Lapi aß. Sie fragen dort den Gast nicht nach dem gewünschten Garpunkt. Das wäre lächerlich und kindisch. Denn das Verfahren ist bekannt und duldet keine Eingriffe oder Sonderwünsche. Ein Fiorentina kommt im Ganzen, mit etwa 1,2 kg Gewicht, auf den Holzkohlengrill. Dort nimmt es Aroma und dunkle Farbe an, dann weg damit. Meersalz und sonst nichts. Olivenöl in kleinen Spritzern, mehr wäre Schnickschnack, das bekommt den weißen Bohnen, die zum Steak serviert werden, viel besser. Innen ist die Bestecca Fiorentina durchwegs roh, eigentlich gerade lauwarm. Die leicht angekohlte Kruste ist Wahnsinn. Mit dem Messer macht man sich über das Gebirge von Fleisch her, das locker sieben Zentimeter Durchmesser aufweist. Das rohe Fleisch ist zart wie Butter. Meinen Hut ziehe ich vor diesem, einem der besten Steaks meines kurzen Lebens, doch der Hut, der weiße, er hägt schon seit einiger Zeit an der Wand. Im Buca Lapi machen sie auch andere Dinge ordentlich. Frittierte Artischoken etwa. Oder einen endgültigen Schokoladekuchen. Hier aber keine Bistecca zu essen, ist wie mit einem Ferrari ausschließlich Milch holen zu fahren. Fanden übrigens auch Ann und John. Wir sehen uns in Washington D.C.! 
(ar)

www.bucalapi.com