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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Sonntag, 11. November 2012

Mit der U6 und der ÖBB zum Martinigansl

In den früheren falstaff-Magazinen gab es immer eine lustige Serie, die ich nicht gleich kapierte. Sie hieß "Mit dem Audi XY oder dem Mercedes Soundso ins Landhaus Irgendwie". Erst nach einer gewissen Zeit kapierte ich: Der Herausgeber ließ sich von einer Autofirma einen kulinarischen Ausflug in ein Spitzenrestaurant oder Schloss bezahlen. Mich langweilten die seitenlangen Beschreibungen von Kupplung und Lederpolsterung, das Essen kam viel zu kurz dabei. Heute muss ich wieder einmal feststellen: Die Zeiten waren damals besser. Viel besser. Denn wo ist die Firma, die mir zum Beispiel eine Limo samt Chauffeur sponsert, damit ich nach der Arbeit zum Sodoma nach Tulln fahren kann. Es gibt nämlich Gansl jetzt und mein Verdacht, dass es sich dabei ums beste Martinigansl in Österreich handelt, ist begründet.

Ich fahre also öffentlich, schließlich will ich den Sodomaschen Weinkeller auskosten und wenn ich den Wagen nehme, bereitet mir schon der Gedanke an die kriegsähnlichen Verkehrskontrollen und die Uniformierten mit ihren lächerlichen roten Kellen Sodbrennen. In der U6 eine Frau mit blauem Auge und ihr Kind. Ich muss sie leider anstarren. In Michelbeuern steigen mehrere junge Herren zu, Kebab essend. Innerhalb von Sekunden stinkt es im Abteil nach Zwiebeln und altem Fleisch. Seltsam auch, wie viele Menschen das U-Bahn-Fahren offensichtlich als eine Art von sportlicher Betätigung betrachten. Warum sonst würden vor allem die Männer in Trainingsanzügen (glänzend) unterwegs sein.

Umsteigen in den Regionalzug in Spittelau. In der Station geballtes Auftreten von Pizza & Kebab, Gerüche nach Fett, Zwiebel, Käse und altem Fleisch. Das Beobachten der Leute, die sich an den Standeln anstellen und dann gleich im Stehen essen oder in den Zug steigen, löst in mir seltsamerweise keine Gefühle aus. Die Fahrt mit der Bahn von Wien nach Tulln kann man nur empfehlen, die Mitnahme eines Fläschchen Weins als Stärkung und Verstärkung der Vorfreude allerdings auch. Über den Sodoma gibt es nicht viel zu erzählen, was nicht schon gesagt wurde. Ein Haus, für das fast jeder Anreiseaufwand gerechtfertigt ist. Natürlich müssen wir die letzten hundert Meter rennen, um den Zug für die Rückreise zu erwischen. Zu lange mit Pepi Sodoma geplaudert. Das Rennen ist keine leichte Sache, mit Gänseleberparfait, Ganslsuppe, Gans mit Erdäpfelknödel und Speck-Krautsalat, Maroni-Nachspeise sowie mehreren Flaschen Wein im Ranzen. Die Fahrt, begleitet vom letzten Glas Riesling Smaragd 2005 vom Hirtzberger vergeht wie im Flug. Gut gestärkt betreten wir die Stadt Wien.

(ar)




Samstag, 3. November 2012

Die Nullnummer von Turin

Red Alert für Esser unterwegs. Das Restaurant Combal.Zero wird im Michelin als bestes Restaurant der Stadt gepriesen und auch der San Pellegrino-Liste wird es als einer der hundert besten Restaurants der Welt geführt. Beide stellen damit wiederholt ihre Fehlbarkeit unter Beweis. Allerdings weiß ich das erst nach meinem Besuch, eine Erfahrung, die ich anderen gerne ersparen würde. Immer im quälenden Bewußtsein gefangen, kulinarisch etwas zu versäumen, bitte ich also per e-mail um einen Tisch. Da es das Wochenende des Salone del Gusto ist, wähle ich den Mittag als Zeitpunkt. Während alle im Salone sind, sollte ein Mittagstisch zu haben sein. Auf mein e-mail erhalte ich keine Antwort. Zero. Das hätte mir zu denken geben sollen.

In Turin angekommen, reitet mich der Teufel, und ich versuche es noch einmal im Combal-Zero. Diesmal per Telefon. Oh, sagt der freundliche Maitre, man hätte ja am Samstag mittags gar nicht auf. Wäre schön gewesen, wenn man mich darüber informiert hätte, meine ich. Ich lasse mich auf die Warteliste für den Abend setzen. Zehn Minuten später werde ich von der Warteliste auf die Reservierungslist upgegraded. Das gibt mir nicht zu denken. Mit dem Taxi sind es 40 Euro in den Vorort, wo das Combal.Zero neben einer mächtigen Burg hingestellt wurde, in der sich ein Museum für moderne Kunst befindet. Auch der Chef des Combal.Zero wird zur kochenden Avantgarde Italiens gezählt. Zahlreich anwesend sind im Restaurant die Damen und Herren im Service, der Ausblick auf die Stadt ist bemerkenswert. Er wird in Folge vom Blick auf die Teller ablenken, auf denen großteils lanweiliges Deja-Vue die Hauptrolle spielt.

Der Champagne ist immerhin von Drappier, einem kleinen, aber sehr guten Haus. Das macht mich zuversichtlich und ich sagen "Was kost' die Welt" und nehme das Signature Menü um 210,-. Zum Aperitif gibt es ein etwas eigenartig pappiges Parmesanmus. Das gibt zu denken. Auch das Amuse Bouche ist eher brav. Wenn Sie mich jetzt fragen, ich habe vergessen, woraus es eigentlich bestand. Irgendetwas mit Muscheln. Der erste Gang bringt rohe Garnelen aus Ligurien, ein sehr gutes Produkt, auf Morcheln, die mit einem Mus aus Foie Gras gefüllt sind. Der Pinselstrich aus grüner Creme verrät, dass wir es hier offenbar mit moderner Kochkunst zu tun hat. Ein klarer Fond verleiht dem Gericht Schliff, auch wenn die Gabe von Morcheln im Spätherbst etwas unzeitgemäß macht. Auch schwarze Perigordtrüffel haben gerade nicht Saison.

Ein Teller mit sechs Gemüsen in verschiedener Zubereitung ist der so genannte Signature dish des Hauses und gleichzeitig eine ausgesprochene Lächerlichkeit. . Unter einem Blatt Lollo Rosso, der etwas Totes an sich hat, eine Schnecke. Wie originell. Ein Paprikagelée mit knusprigem Seegras okay, alles andere unspannend und mit wenig Engagement zubereitet. Hat dieser Koch noch nie etwas davon gehört, was man heute aus Gemüse macht? Sind ihm die Namen Passard, Redzepi oder auch Reitbauer nicht geläufig, dass er sich traut, mit so einem Teller vor den Vorhang zu treten? Der nächste Gang bringt rohes Kalbfleisch aus dem Piemont, das wunderbar zart ist, aber in seiner Kombination mit Paradeisern und etwas Gebackenen, das ein Steinpilz sein könnte, eher blass bleibt. Die Weinempfehlung übrigens ist kompetent, aber leider hat den Herren und Damen in Schwarz niemand erklärt, dass es nicht gut kommt, wenn der Gast immer wieder vor leeren Gläsern zu sitzen hat, weil niemand ans nach schenken denkt.

Spaghetti mit grünem Pulver aus trockenem Pesto. Zeitreise an den Anfang des Jahrhunderts, als solche Spielereien als Ausweis von Originalität galten. Immerhin sind die Nudeln perfekt gemacht und werden witzigerweise als Miniportion in einer Kaffeetasse serviert. Ich hätte gerne mehr davon, damit ich vom anderen weniger essen kann. Aber wir sind ja nicht zum Spaß hier. Ein Gang macht mir besonders Vergnügen, ja, erfüllt mich mit Hoffnung, es könnte doch ein gutes Essen werden. Es ist etwas aus Schwein, ich hab den Name vergessen. Und dann Sardine gebraten mit Kalb, es hätte gut sein können, dass das gut ist. Die Sardine ja, das unessbar zähe, gekochte Kalb leider nicht. Die Hälfte des Ganges geht zurück. Aus der Küche keine Reaktion. Phantastisch präsentiert und in der Tat gut das Käseangebot. Käse als Rettung. Die engagierte Servierdame serviert dazu alten Marsala. Mir gefällt das und sollte mich etwas jemals wieder in dieses Restaurant verschlagen, erwäge ich die Bestellung einer Flasche Champagner, dann einer Flasche Roten aus dem Piemont und eines Käsebrots.

Was ich Ihnen nicht unterschlagen kann, ist der Bericht über die Nachspeise. Als Pre-Dessert ein Luftballon aus der Molekularabteilung, gefüllt mit an Campari erinnernde Flüssigkeit. Serviert in einem Beutel mit Smarteis, an dem ein echter Luftballon hängt. Sie müssen sich das jetzt vorstellen, wie die Serviermenschen mit zwei Dutzenden Luftballons durchs Lokal schweben und an jedem der Tische (das Restaurant ist übrigens restlos ausgebucht, immerhin) landen und wie die Leute dann doch eher entgeistert auf diese Idee schauen. Der Molekulare Ballon leistet Widerstand im Mund. So sitzen die Gäste jetzt verzweifelnd und etwas ratlos kauend, über ihnen blaue und rote und gelbe Luftballons schwebend und es ist ein Bild für Götter. Vielleicht sitzt der Küchenchef des Combal,Zero ja vor einem Monitor und beobachtet seine Gäste, wie sie an zähem Kalb und an sphärischen Ballons würgen, und zerkugelt sich.

(ar)

www.combal.org