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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Samstag, 11. Januar 2014

Sherry mit Perlen

Ein Leben ohne Champagner ist möglich ist, aber sinnlos. Sagte Loriot, auch wenn er verklausuliert das Wort Mops statt dem Namen des Schaumweins verwendet hat. Als Alternative zwischendurch nehme ich gerne den herrlichen Winzersekt von Willi Bründlmayer, der meines Empfindens nach von Jahr zu Jahr feiner und besser wird. Als nahezu schockierend gut erlebte ich zu meiner Überraschung und Freude am Neujahrstag einen Sekt, den der Winzer Gerald Malat aus dem Keller holte, um den Durst einer Spazierrunde zu löschen, welche es abends nach einem Marsch über die Feldwege nach Palt verschlagen hatte.

Die Flasche trug ein dunkles Kellermäntelchen wie Batman und sah somit saus wie ein Bote der Finsternis im dicken Mantel aus Kellerschimmel. Schließlich stammte die Flasche auch aus dem Jahre 1976, dem Geburtsjahr von Malats Tochter und war außerdem der erste Jahrgang des Sektunternehmens der Familie Malat überhaupt. Wir schauten ganz schön und dachten an nichts. Doch viel besser als nichts war dieser Sekt, der sich nicht gerade jugendlich frisch, aber in beträchtlicher Form zeigte. Staubtrocken, leicht oxydiert und somit sherryartig wie aber auch weit von dem entfernt, was man als pensionsreif bezeichnen würde. Da waren gedörrte Äpfel im Glas, Töne von Rosinen und der Duft eines Einbaukastens, in dem der Onkel jahrzehntelang seine Rums, Schnäpse und Liköre aufbewahrt hatte. Und: es perlte ganz schon jugendlich der alte Herr.

Malat holte dann noch dies und das aus dem Keller, auch einen feinen Burgunder 1988 und nicht nur, dass diese Weine Vergnügen bereiteten wie das Konzert unter Barenboim. Ich lachte wieder einmal leise vor Freude über die Erkenntnis der Tatsache, dass so gesehen auch die alten österreichischen Hadern in meinem eigenen Weinkeller nicht automatisch zu einem Griechenland im Glas werden müssen werden.

Kinder, Kinder

Muss man mit Kinderwägen Champagnerbars entern, soll man Fünfjähjrige auf den wackeligen Regalen enger Delikatessenläden parken? Die Frage stellten sich viele von uns in der Vorweihnachtszeit. Im Glitzermonat Dezember trifft man nicht nur viele so genannter Zeitgenossen mit Lions-Punch-Pappbecher-Geruch in  der U-Bahnstation, gefühlte ebenso viele tragen auch ihre Nachkommenschaft wie eine Trophäe mit sich. Wollen sie damit der Welt sagen: Seht her, Weihnachten ist da, und wir haben Kinder. Echte Kinder, während immer mehr Looser wie ihr sinnentleert und frustriert vor dem Weihnachtsbaum mit euren Stofftieren Stille Nacht singen werdet?

Wer jetzt eine Philippika gegen die Öffentlichmachung des Familienstandes von Gästen in Bars oder Restaurants erwartet, wird leider enttäuscht. Wäre zu billig und das Billige ist an dieser Stelle so erwünscht wie, sagen wir, Maschinensemmeln zum Frühstücksei. Denn die Chance, dass aus einem kleinen jungen Herren, der im Kinderwagen ohne sich dessen noch bewusst zu sein, den Sound von perlendem Jahrgangschampagner im Glas wahrnimmt, später einmal ein großer und guter Trinker wird, ist doch bedeutend größer als wenn er statt dessen den Lärm der Rapidfans am Fußballplatz injiziert bekommt. Wenn derselbe junge Herr (und gleiches gilt für die junge Dame) im kleinen Wurstgeschäft den Duft einer Fenchelsalami ins Geruchsgedächtnis implanitert bekommt, ist das auch besser als der Gestank der Fertigfritten bei McDonalds. Oder sagen wir lieber Salamifertigpizza, denn das Hinhauen auf McDo ist auch billig mittlerweile.

Vor kurzem saß ich bei den Obauers in der Nachbarschaft einer kaputzenpulloverigen Familie aus Russland. Der Winzling schrie. Papa nahm ihn in die Arme und drückte ihm ein Busserl auf den Nacktschädel. Papa hatte gerade einen Branzino mit Treviser Radicchio verspeist hatte und war sehr entspannt. Der Bub beruhigte sich augenblicklich. Er war noch viel zu einer von den Großen, um beispielsweise die Obauer Wienerschnitzel (mit Frites) würdigen zu können wie es die beiden Schwestern taten. Dennoch: Der Kleinste wird  vielleicht eines Tages wiederkommen und statt Schnitzel Kalbskopf "Rudi Bayr" bestellen. Eine erwachsene Portion. Und dazu nicht Cola, sondern eine Flasche Ruilly.

Frittatensuppe bei Sepp Schellhorn

Gewarnt von den Winterunfällen von Frau Merkel, der Schotterbaronin und des deutschen Autoweltmeisters meide ich Schnee und Glatteis und verbringe ein paar Tage in Goldegg, wo gerade Ostern ausgebrochen ist. Spaziergänge über die Tundra des Golfplatzes und saftig-knatschige Wiesenwege erscheinen mir gerade das Richtige zu sein, um mich in der Champagnerluft zu zerstreuen und mir Appetit anzugehen für die Oma-Küche, welche gerade nach Sepp Schellhorns Laune ist, der die Seehof-Küchenmannschaft dirigiert, wenn er nicht gerade politische Karrieren begründet, hinschmeisst oder touristische Initiativen ins Leben ruft.

Dass Susi Schellhorn von alldem relativ unberührt bleibt, muss am Rande bemerkt werden und wie gut das dem Betrieb tut, davon können die Gäste des Goldeggers Seehof ein Volkslied singen. Gute Hotels sind gut, aber zu den besten Hotels werden sie durch die Präsenz der Gastgeber. Mir kommt aber vor, dass ich das an dieser Stelle schon oft gesschrieben habe und weil ich niemanden langweilen will und am allerwenigsten mich selbst, komme ich zur Sache, zum Essen.

Herr Schellhorn hatte nie besonders viel übrig für die "Laubsägearbeiten" berühmter Kochkollegen, wie er sie nennt. Die Einfachheit, die er jetzt zur Winterszeit pflegt, ist hingegen fast schockierend, aber nach einer kurzen Eingewöhnungsphase bestechend. Wie man es bei der sprichwörtlichen Großmutter gehabt hat (oder vielmehr gerne gehabt hätte), beschränkt sich die Schellhorn-Küche auf das wenige Notwendige, das eine warme Mahlzeit ausmacht. Zwei bis drei Komponenten pro Teller, das ist das Höchste der Gefühle. Mehr geht nicht, echt nicht, wie die Literaten von in der Fernsehwerbung sagen.

Omchen Sepp backt, schmort und brät wie gewohnt die Innereien vom Pinzgauer Kalb, serviert also ein göttliches Kalbshirn, welches nach Kuhstall schmeckt und keine Zweifel daran lässt, dass diesem Kalb ein halbwegs akzeptables Leben zuteil wurde. Kalbszunge mit einer substanziellen Sauce und Erdäpfelpüree, ein Schulterscherzel in dunkelschwarzer Sauce mit Polenta oder ein Spanferkel mit Kraut und kleinen Erdäpfeln sind ganz Großmutter auf dem Teller. Die Art, wie man in Kürze ein Bauernhendl im Ganzen saftig und knusprig brät, haben die Schellhorn-Köche nicht von Oma und schon gar nicht von Opa, sondern vom großen Jörg Wörther.

Der genannte schmorte schon Lamm, dass es den Gästen anders ging, nämlich besser. Und sein Schüler richtet Schlägel, Stelze und Filet (inklusice Fettrand) auf Selleriepüree und Natursaft an, dass kein Wunsch offen bleiben kann außer dem, dass der offene Blaufränkische von Dorli Muhr möglichst zügig nachgeschenkt wird, was er wird. Frittatensuppe gibt es dann natürlich auch, ebenso wie ein anständiges Schnitzel. Der Thomas-Bernhard-Fan Schellhorn will sich nicht nachsagen lassen, dass die Frittatensuppe in Goldegg schlechter wäre als die in Utzbach.