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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Freitag, 7. Februar 2014

Essen lernen im Steirereck am Stadtpark

Ein Essen im Steirereck am Stadtpark. Lange war ich nicht dortgewesen, jedenfalls zu lange. Doch die längere Absenz schärft den Blick, den fürs Detail und den der Kritik. Ich darf mit einer Reihe von neuen Schöpfungen rechnen, aus den kreativen Hirnen von Heinz Reitbauer und seinen Mitstreitern, zubereitet von einer in der Nähe der Perfektion arbeitenden Mannschaft an Herd, Dampfgarer und was es sonst in einer Küche des 21. Jahrhunderts noch gibt.

Mit Gemüse ist zu rechnen, ein Essen bei Heinz Reitbauer gleicht auch einem Lehrgang der neu zu entdeckenden oder fast schon vergessenen Sorten. Doch die Vegan-oder-nicht-Vegan-Diskussion ist hier vollkommen fehl am Platz. "Ich respektiere Kaviar ebenso wie einen Erdäpfel". Sagt Heinz Reitbauer. Dieses Philosophie ist mir lieber als die Diskussion um die Redlichkeit von Massentierzucht und ihren Nutznießern. Als ob das nicht schon geklärt wäre.

Dennoch will ich ab und zu gerne Fleisch, ein bisschen wenigstens, zum Beispiel so ein Rehkitz, gebeizt mit Natursaft und schwarzen Nüssen, ein paar Zentimeter über dem Teller schwebend in seiner milden Aromatik, mit Trompeten-Eierschwammerl und den dezenten Bittertönen des blanchierten wilden Broccoli. Wie bewundernswert der Umgang mit Materialien und Zutaten ist: Dazu gibt es eine Vinaigrette, in der Piment Öl und Balsamessig, aber auch die Stiele der Trompeten-Eierschwammerl eine Rolle spielen. Nur der ewig Suchende findet Kombinationen wie diese.

Dann der Hammer: Puntarelle, mit Dampf behandelt, dass sie vor Saftigkeit (und Aroma) zerbersten, später noch glaciert. Angerichtet auf einer Creme aus Süßkartoffeln und Sanddorn (gute B12 Vitaminquelle für Vegetarier, wie auf den Küchenzettelchen vermerkt ist, die der Service vor dem Auftragen der Teller dezent einstellt). Die Kombination von der Chicoree-Artischoken-artigen Bitterkeit der Puntarelle und dem Rest, also Süße, Frische (Brunnenkresse), Salz (Kapern) und knusprigen Süßerdäpfeln - dankbar ist man, dass das Essen im Sitzen eingenommen wird. Ein Teller wie dieser wäre geeignet, den Esser ergriffen zu Boden sinken zu lassen. Manche schreien auch laut. Ist wohl eine Frage der persönlichen Veranlagung.


Anders als perfekt zubereitet kann man die beiden folgenden Fischgänge nicht beschreiben. Es sind Zander und Atterseehecht. Ersterer wird in Nussbutter confiert und ist von einer lamellenartigen Zartheit. Die Aromen von gelbem Paprika (in unterschiedlichen Ausführungen), geröstetem Quinoa und Walnuss mischen sich zum Zander. Eine in Salz und Asche gegarte weiße (Ur-)Karotte lässt den Gast zum wiederholten Mal das Besteck senken. Kurze Andacht.

Noch besser schmeckt der Atterseehecht, perfekt gebraten, sodass das feste, weiße Fleisch (Attersee-Wasser ist nun mal eines der besten) gut zur Geltung kommt. Und dann Spitzkraut: leicht gepökelt, im Ganzen im Ofen gegart, sowie der herrliche Knollenziest und eine Paste aus gerösteten Pistazien und Knoblauch. Der Hecht ist natürlich ein toller Hecht, doch wiederum sind es die mit so viel Liebe (und Kenntnis) behandelten Beigaben, die begeistern. Wie viel Hirn in diesen Gerichten steckt. Und wie sie daherkommen, ohne auch nur die geringste Spur der Eitelkeit.
Weil Winter ist, gibt es im Steirereck auch Perigord-Trüffel. Sie wurde eigentlich aus zwei Gründen erfunden, die Perigord-Trüffel. Einmal, um mit Madeirasauce und Gänseleber zu einem Glas Château Yquem verspeist zu werden. Zweitens als Bereicherung einer Kombination aus Schwarzwurzel und Kokos (!), die als Creme wie auch in knuspriger Form serviert wird und von einem Powidl aus zehn Tage lang langsam gekochten Haus-Zwetschken kontrapunktiert wird, der am Schluss mit etwas Chili den letzten Schliff kriegte. Ich sage es eigentlich ungern, aber Verwendung Nummer 2 der Perigord-Pretiose ist mir an diesem Mittag die liebere.

Die leicht säuerliche Haferwurzel, in Entenfett gebraten, begleitet das Entenklein, das durchs Pökeln seine leuchtend rosa Farbe erhielt und später confiert wurde. Eine der Lieblings-Zitrus-Früchte Heinz Reitbauers, die Buddha-Hand-Zitrone, tut hier als Einlegearbeit einen erfrischenden Dienst.

Wildhasen gibt es auch. So wie er auch am Feld sich dem Spaziergänger nicht auf den Weg wirft, versteckt er sich auch hier. Unter einer delikaten Creme aus Kerbelwurzeln stecken die bereits am Rande des Zerfalles zarten Wildhasen-Vorderläufe. Manche Gästen sollen, so erzählt man sich, verzweifelt nach dem "Fleisch" gesucht haben und als sie es in Form der Rosa Bianca Melanzani (oh, wie gut, ah, wie herrlich) vermuteten, leicht verwirrt nach dem Ober gerufen haben.

An der Stelle gehört übrigens dem Weinservice unter Adi Schmid und Manuel Andrack das ausgesprochen, was diese beiden Weinmenschen verdienen: Höchstes Lob.

Der Käsewagen bleibt diesmal in der Garage, es gibt gebrannte Rohmilch, Quitte in Fruchtform und als Kuchen, eine Vitaminbombe aus Cido Quitten und  Lavendel und eine Information für alle Interessierten an der Geschichte der Genesis. "Eva hat Adam wahrscheinlich nicht mit einem Apfel, sondern mit einer Quitte gelockt." So steht es auf den kleinen Info-Zettelchen, die man keineswegs geringachten sollte, enthalten sie doch eine Menge Wissenswertes über die Welt.

Ein irre gutes Malzsoufflé am Ende. Einmal muss leider Schluss sein. Es kommt in Begleitung von Abate Fetel Birne mit kandierter Schönbrunner Orangeade, abgerundet mit Orangenthymian. Und wenn ich in meinen Leben jemals zuvor ein Sorbet aus Soraronia (eine Art der Esche, deren Beeren leicht an Vogelbeeren erinnern) und Birnen hatte ... nein, ich glaube nicht, dass ich das jemals irgendwo gehabt habe.

(ar)

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