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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Dienstag, 1. Juli 2014

Das Beste ist für sie ganz normal

Besuch in einem der besseren Restaurants in Brüssel, dem Chalet de la Foret, welches wirklich mitten im Wald liegt. Es hat zwei Sterne. An einem Montag ist mittags der wunderbare Gastgarten des Chalets bis auf den letzten Platz gebucht. Man denkt sich: bei uns undenkbar. Ja, vielleicht das Steirereck in Wien. Aber auch dort sieht man um vier Uhr nachmittags keine gut gelaunten Gäste, die sich gerade die vierte oder fünfte Flasche Wein servieren lassen. Von sich selbst und ihrer Tischgesellschaft gelangweilte Businessluncher, die mittags nur Wasser konsumieren, wird man im Chalet vergebens suchen.

Der Küchenchef des Chalets hat bei Roger Souvereyns gearbeitet, einer Ikone der belgischen Küche. Er hat den Tisch und das Lokal ausgesucht. Souveräns wirkt mit 75 noch wie ein junger Mann. Den Schalk im Nacken trägt er wie ein gut geschnittenes Sakko. In seinem Scholteshof hat unter anderen auch Silvio Nikol gearbeitet. Die beiden verbindet eine Freundschaft in ewigem Respekt. Arbeiten in der Küche sowie moderater Genuss der Weine aus dem Medoc halten Souvereyns fit, wie er erzählt.

Dass er in seinem Restaurant schon vor dreißig Jahren die Kultur des Eigenanbaus pflegte und sich fast über das ganze Jahr lang mit eigenem Gemüse versorgte, brachte ihm bei den Inspektoren des Michelin manche Rüge ein. "Sie müssen schon mit französischen Zutaten kochen, gell" so in etwa haben ihn die Inspektoren auf die Voraussetzungen für 3-Sterne damals hingewiesen. "Ich koche mit dem, was ich will", so ungefähr hat Souvereyns ihnen geantwortet. Damals. Heute ist der eigene Garten für ein Restaurant, das auf sich hält, wichtiger als der Weinkeller.

Wir essen fantastisch. Ein wunderbares Dejeuner, bestehend aus sechs Gängen plus Dessert. In Belgien   ist man gutes, durchaus auch mit einer Prise Dekadenz versehenes Essen gewöhnt. Ganz anders zu Österreich, wo es hauptsächlich viel am Teller sein muss und nicht zu teuer. Das Billig-Gen werden den Österreichern auch die besten Restaurants nicht austreiben können. Die Wirte haben hier die Rechnung ohne den Gast gemacht.

Es gibt Makrele mit kleinen, fermentierten Gemüsen, der Fisch von fantastischer Konsistenz und Frische. Dann Seh-Ohren mit etwas Grünem. Die auch Animone genannte Schneckenart ist ein ganz außergewöhnliches Bissvergnügen. Gegrillte Bar de Ligne mit Trüffelsauce (wunderbar) wird gefolgt von pochierter Entenleber mit knackigem Rhabarber und einem Stück Aal, was gemeinsam eine echt gute Figur macht. Auf Pünktchen und Pinzettenclownesken verzichtet die Küche indessen ganz, was Herrn Souvereyns unter anderem zur Wahl des Chalets veranlasst haben mag.

Zum Hauptgang ein ordentliches Stück Fleisch aus Kastilien, wo die besten Steaks herkommen. Es hat Biss und ist weder Wagyu noch Dry Aged, sondern einfach bloß sehr gut. Dazu reicht die Küche einen Salat mit Sommertrüffel vom Durchmesser einer fliegenden Untertasse. Wir trinken einfache Mittagsweine, vornehmlich aus dem französischen Südwesten und haben es fein.

Auch bei den Nachspeisen zeigt die Küche, dass sie es nicht mit den Moden hat. Allerdings ist das Kakao-Granité, das zum Schokoteller gereicht wird, von ausnehmender Güte.

Es ist nicht zum ersten Mal, dass ich die Belgier um ihre Gastronomie beneide.

Und sagen muss, dass die österreichischen Gastronomen ihre belgischen Kollegen auch um ihre Gäste beneiden können.

Wobei ich nicht herausfinden konnte, wie viele von den verwöhnten Mittagsgästen eventuell zu den Mitarbeitern der EU-Kommission zählen, die sich gerade von amerikanischen Lobbyisten den TIFF-Vertrag schmackhaft machen lassen.









(ar)

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