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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Freitag, 17. Oktober 2014

Grado

Ich irre eine Stunde und damit einen gefühlten Tag durch Grado auf der Suche nach dem Hotel, in dem ich ein Zimmer bestellt habe, weil erstens das Navi nicht funktioniert, zweitens ich nicht funktioniere und während  ein zusätzliches anstrengendes Telefongespräch führe. Während meines sinnlosen und genau genommen zweckfreien Cruisings durch immerwährend gleiche Gässchen mache ich mir ein Bild: dieses Städtchen ist grenzenlos langweilig und noch schlimmer als seine inhärente Fadesse sind nur die Gäste, die es bevölkern. Warum bin ich hier?

Es war die Neugierde, das Begehren nach Licht und Sonne nach drei Wochen Regen und Flut in Istrien und Dino und die Tatsache, dass die Ville Bianchi doch tatsächlich ein Zimmer hatten für den spontanen Gast. Diese so genannten Ville Bianchi sind, um es gelinge auszudrücken, ein Kulturschock für alle, die nicht unbedingt in Gesellschaft von deutschen und österreichischen Anwälten, Ärzten und ihresgleichen im höheren Alter logieren, trotz Sonne im Inneren frühstücken und weder Messing noch Kirschholzmöbel am Zimmer wollen. Dennoch würde ich das Hotel empfehlen.

Dies nicht zuletzt wegen seiner Lage in unmittelbarer Nähe zu den bewirtschafteten und also gepflegten Stränden, aber vor allem wegen seines Service, der den schwierigen Gast erkennt und weiß, wie man mit seinesgleichen umgeht. Zum Beispiel lacht da niemand an der Rezeption, wenn der Gast auf die Idee kommt, am gleichen Abend noch einen Tisch bei Toni reservieren zu lassen, dem scheinbar berühmtesten und vermutlich besten Fischlokal in der hübsch herausgeputztenAltstadt.

Toni ist ein gepflegtes Restaurant in der gastronomischen Meile Grados, welches zu einer Vereinigung von der Tradition der gradenser Lagune verpflichteten Betrieben gehört, sonst nicht viel hermacht, allerdings unter allen, ausnahmslos allen Grado-Besuchern als beste Adresse der Stadt gehandelt wird. Man kann sich also auch als mit wenig Phantasie geplagter Mensch vorstellen, welches Gries  hier um die Tische gemacht wird. Wie durch ein Wunder, vielleicht auch bloß Glück, oder einen noch nicht bekannten mächtigen Förderer im Hintergrund bekomme ich ohne weiteres einen Tisch auf der Terrasse. Und ein wirklich gutes Essen.

Gutes Essen heißt in Grado und bei Toni zarten Tintenfisch, herrliche Spaghetti mit einer lokalen Muschelsorte, gekochte Goldbrasse mit Paradeisern und Erdäpfeln, frittierte kleine Fische aus der Lagune und ein überirdisch gutes Tiramisu. Dazu trinke ich Felluga und das auch am zweiten Abend, weil mir zu Toni keine Alternative einfällt und auch keiner meiner Informanten mit einer solchen aufwarten kann.

Erst am Ruhetag des Toni, der ein Mittwoch ist, lande ich in der legendären Androna, die seit zehn Jahren neu übernommen wurde und seither auf nobel unterwegs ist. Das nicht übertrieben große Lokal ist besonders schön, denn die Verbindung aus buntem Glaswerk und Gemälden mit dem schlichten Holz der Logen hat ihren Reiz. Hier esse ich die beste Frittura, ausgesucht gute Minifische, Sprotten, Seezunge oder Sardinen aus der Lagune, Garnelen nicht größer als drei oder vier Millimeter, das alles ohne Fettgeschmack oder anderem banalem Beiwerk, und bin begeistert ob der Qualität und schlichten Inszenierung.

Kleiner Wermutstropfen: Obwohl Italien, ist es schwierig, in Grado eine gute Bar zu finden, wo man einen anständigen Aperitif bekommen könnte. Offenbar hat man sich diesbezüglich schon zu sehr an die Gäste aus Österreich und Deutschland angepasst, für die ein Aperò maximal in einem Glas Bier besteht. Die Bellini-Kultur ist nicht einmal hundert Kilometer von Harry's Bar nicht anders als jämmerlich. Immerhin gibt es ein paar Leute hinterm Tresen, die einen erträglichen Negroni hinkriegen. In Florenz schmeckt er aber um Lichtjahre besser.

www.androna.it

www.trattoriadetoni.it

www.villebianchi.it

(ar)