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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Montag, 2. Februar 2015

Trüffel bei Gagnaire. Teuer, aber es wirkt

Vor einigen Jahren rümpften die französischen Spitzenköche noch die verwöhnten Nasen, wenn man auf weiße Trüffel aus Alba zu sprechen kam. Die stinkende Knolle der Italiener könne doch den feinen und delikaten Perigordtrüffeln nicht das Wasser reichen. Irgendwann, vermutlich auf dem Weg über die Ducasse-Gruppe, fanden dann die schönsten und größten Exemplare aus dem Piemont doch den Weg in die Küchen der französischen, vor allem der Pariser 3-Sterne-Häuser, und sind seitdem von dort nicht wegzudenken.
Bei Pierre Gagnaire, der es noch nie billig gegeben hat, kostet dann ein Risotto mit Alba-Trüffel schon mal 205,- und das macht den Gast neugierig. Was kann so ein Risotto zu einem Preis, bei dem man sogar bei Gagnaire ein kleines mehrgängiges Menü bekommen kann? (Im Vergleich ist das dreigängige Lunchmenü zu etwa 85 Euro fast lächerlich günstig.) Gagnaire ist ein Kochgenie, das keinen Aufwand scheut und dem das Wort Reduktion nicht in den Wortschatz passt. Was also wird das für ein Risotto sein, fragt sich der Gast und bestellt.

Was kann ein Trüffelrisotto um 205 Neuronen?

Der Reis ist perfekt gekocht, vielleicht der beste Risottoreis der Welt, umgeben von einer cremigen Sauce, verziert mit blütenweißen und hauchdünn geschnittenen Champignons, bedeckt von einem Blatt Gelée, vermutlich ein Hühnerfond oder etwas in der Art, was leider schwer herauszufinden ist. Denn jetzt löffelt der himmlisch gute Mâitre aus einem kleinen Topf eine Mischung aus kleinen Tomaten und Seppie über das Gericht und der Gast hebt die Augenbraue. Die Kombination ist gewagt und wirkt, als könne man sich in der Küche nicht zwischen einer venezianisch-ligurischen und einer piemontesischen Auslegung des Themas Reis entscheiden. Schließlich fügt der Maitre aus einem anderen Behältnis im Ofen getrockneten Knoblauch hinzu und nicht zu knapp. Sie lesen richtig: Knoblauch.
Die Trüffel, die in einer edlen Holzschatulle an den Tisch gebracht wurde, hat die würdige Größe eines Tennisballs. Ihre Gabe erfolgt großzügig. Der durch den kleinen Gastraum wabernde Duft weist die Knolle als besonders frisch aus. Sie wird es dennoch schwer haben gegen den Knoblauch und die Süße der Paradeiser. Eine Mischung, die den Gast etwas ratlos zurücklässt, nachdem er den letzten Bissen der Gagnair’schen Interpretation des Trüffelrisottos genossen hat. War der Risotto dann dennoch delikat? Auf jeden Fall. Würde man’s noch einmal bestellen? Vermutlich nicht.

Ein Biss in drei Macaronen

Noch ein paar Worte zum Aufwand, mit dem in diesem seit jeher mit drei Macarons ausgezeichneten Restaurant ans Werk gegangen wird. Dieser ist nämlich beachtlich. Man hört beim gefühlten ersten Dutzend an Häppchen und Amuse Bouches auf zu zählen, darunter einiges, was an Geschmack und Zubereitung noch nie erlebt wurde. Später wird unter einer silbernen Cloche der lebende Hummer an den Tisch gebracht, eine Aktion, die weiter östlich wohl eine wütende Armada von Tierschützern auf den Plan riefe.
Der Hummer kommt eine halbe Stunde später wieder, in fünffacher Version auf fünf kleinen Tellern, wie man es bei Gagnaire kennt, wovon einer besser ist als der andere: einmal mit Koriander, dann mit Olivenöl, dann als Bisque sowie in Form eines kleinen Gerichts aus dem Corail des Hummers. Später gibt es Petersfisch mit einer scharf-bunten Sauce, in der auch eine scharfe Wurst (Spanien? Baskenland?) eine Rolle spielt. Dezente Geschmäcker überlässt die Küche anderen, hier wird geschaut, was man aus einer Sauce rausholen kann und das ist einiges. Memorabel außerdem ein Gericht aus rohen Langustinos, das mit Champagner aufgegossen wurde. Die Weinkarte hat alles drauf, was es in Frankreich an Gutem gibt und wenn ein Essen bei Gagnaire kein Anlass ist, einen großen Wein zu öffnen, dann gibt es dafür nie einen Anlass.
Das Brot alleine, welches vom Boulanger im zweiten Kellergeschoss in einem winzigen Raum mehrmals täglich frisch gebacken wird, ist einfach perfekt. Dies ist einer der letzten Horte gepflegter französischer Dekadence und es verwundert nicht, dass die französische Küche mittlerweile zum immateriellen Welterbe der UNESCO zählt.

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