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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Mittwoch, 17. Juni 2015

Ist die Expo eine Reise wert?

Ob Sommerfestivals, Sportevents oder eine Weltausstellung: Ohne die Mittäterschaft großer Konzerne und ihrer Marketingbudgets ist heute kaum mehr etwas realisierbar. Den Staaten ist längst das Geld ausgegangen. 

Und vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Expo in Mailand aussieht wie sie aussieht. Ihr Motto: „Die Ernährung der Welt in Zukunft.“ Ein spannendes Thema, ein wenig Fremdenverkehrswerbung darf dabei übrigens auch nicht fehlen. Interessant auch, welche Rolle die Industrie dabei spielen will. Der Sponsor verlässt seine Rolle als Förderer und betritt den Mittelpunkt der Bühne.

Hier Eskimo, da Lindt, dort McDonalds - ja, sie haben dem Burgerbrater wirklich kein Hausverbot erteilt und warum hätten sie es auch tun sollen? Denn gleich daneben hat auch Slow Food einen Pavillon hingestellt, der die gewonnene Bedeutung, ja gesellschaftliche Macht der Bewegung eindrucksvoll illustriert. 

Keine guten Aussichten für die Zukunft, denkt der Skeptiker, wenn er einen Minisupermarkt durchstreift hat, in dem Thai-Futter in bunten Verpackungen offeriert wird und wenn er die hochdigitalisierte Welt eines Coop-Marktes durchmessen hat, in dem Roboter Äpfel schneiden und Kaffee einschenken. Und das alles in einem Licht, das an die Umgebung eines Chemie-Labors gemahnt.

Doch das Handwerk kommt nicht zu kurz: Zwischendurch gibt es Pizza von verschiedenen Regionen Italiens und sie sieht köstlich aus. Toast, gebackene Fische und Meeresfrüchte, Mortadella und Prosciutto. Wunderbare Weine. 

Kein Wunder, dass die Mailänder jeden Abend raus auf die EXPO fahren, wo es abends am schönsten ist, wenn die Massen das Terrain verlassen haben, die Sonne ihren besten Stand erreicht hat, und die Temperaturen auf ein erträgliches Maß runterklettern. 

Und dennoch drängt sich da ein Eindruck auf: Masse fürs Volk wird es weiter geben, während sich die Privilegierten, denen die Konzerne gehören, die auf der Weltausstellung posieren, nicht in die Speisenkarten schauen lassen wollen. Qualität für jeden indessen wird es weiterhin nicht geben, zumindest nicht von der Industrie und nicht zum billigen Preis.

Gedanken wie diese gehen dem Expo-Besucher durch den Kopf, der sich auf die Suche nach neuen Eindrücken macht und dahinter kommt, dass die Nadel im Heuhaufen leichter zu finden sein wird. Mainstream rules. Der Besucher der Expo scheint ein Durchschnittsalter von 12 Jahren zu haben. Sie treiben die Schulklassen durch. Es gibt kaum einen Pavillon, der nicht vom gleißenden Sound der Kinderstimmen erfüllt wäre. Sie merken sich die Namen der Mächtigen der Nahrungsmittelindustrie am besten. 

Abseits des Mainstreams gibt es dann doch einiges zu entdecken. Den vom Duft der lokalen Küche erfüllten Minipavillion der Äthiopier beispielsweise. Er befindet sich im so genannten Kaffee-Cluster, einer Zusammenfassung verschiedener Länder, in denen Kaffee produziert wird. Der Cluster wird gesponsert von der Triestiner Top-Kaffee-Familie Illy. 

Der aufmerksame Besucher lernt hier eine Kaffeemaschine kennen, die in der Lage ist, je nach persönlichem Geschmack einen Blend aus Bohnen verschiedlicher Terroirs zusammenzustellen. Hier macht sich ein Trend bemerkbar. Die Technik und der Erfindungsreichtum der R&D-Abteilungen erlaubten die Individualisierung von Produkten, die in großen Mengen hergestellt werden. Man ist gespannt, was da noch kommt.

Zu den  klügsten und auffälligsten zählt der Pavillon der Briten, die sich auf das Thema Bienenstock geworfen haben und eine spannende Stahlkonstruktion hingestellt, welche die Skyline der Expo dominiert. „England ist der Bienenstock der Innovationen“ steht da. Stimmungsvoll, perfekt designt und unterhaltsam der Pavillon der Spanier, wo eine detailfreudige Mixtur aus Videos, Illustrationen und Musik den Passanten unterhält, aber wie nach dem Konsum eines Werbeblocks auch wieder ein wenig ratlos entlässt. Unbedingte Pflicht-Pavillons: Südkorea, Bachrain, eventuell auch Deutschland, Frankreich hingegen eher brav.

Nach so vielen Bildern, Tönen und geschmacklichen Andeutungen braucht dann der Besucher irgendwann etwas Handfestes ins Glas und auf den Teller. Empfehlenswert der kleine Stand von Franciacorta, einem der besten Spumante-Hersteller Italiens. Hier gibt es auch zu Essen, Kaviar beispielsweise, High-End-Prosciutto und wenn nicht vom Kasachischen Nachbarn ständig die Schlagermusik herüberplärrte, wäre dieser Stand eine Oase der Erholung mitten im Trubel.

Auch andere Getränkemacher sorgen sich um die Verpflegung der Expo-Besucher. Ferrari ist da, ein weiterer Spitzenspumante aus Südtirol. Martini ist natürlich ebenfalls da und enttäuscht mit wässrigen Americanos, blasiertem Service und frechen Preisen.

Österreich hat selbstredend ebenfalls einen Pavillon auf dem Messegelände in Mailand, welcher sich übrigens großer Beliebtheit erfreut. Das mag an den kühlenden Frischluft-Spenden liegen, die dem Motto „Breathe“ sinnlichen Erlebniswert verleihen. Oder der sehr naturnahen Umsetzung des Themas Alpiner Wald, wo sogar die auf Stein gemalenen alpinen Wegweiser in den Farben Rot-Weiß-Rot nicht fehlen dürfen. Kulinarisch hat man hier leider eine Chance vergeben.

Österreichische Topchefs vom Rang eines Reitbauer, Döllerer oder Rachinger hatten sich im vergangenen Herbst Gedanken über Gerichte gemacht, die den Begriff und die Welt des Waldes geschmacklich und ästhetisch umsetzen würden. Was da ausgedacht und präsentiert wurde, hatte echt Klasse. Die Rümpfe dieser Ideen liegen jetzt in einer dunklen Bar und schlecht beleuchteter Vitrine, bewacht von zwei uninteressiert wirkenden Mitarbeitern der Caterinfirma Eurest. Nicht einmal eine englische Übersetzung der Bezeichnungen der Gerichte gibt es. Der Pavillon-Besucher ratlos. Schade.

Was bietet die Expo dem, der sich für Essen abseits der Industrie interessiert? Liebevoll, aber ein wenig verloren wirkt die Italien-Abteilung. Die Italiener haben ihre Gegenden teils aufwändig, teils weniger aufwändig ins Licht zu rücken versucht. Der Stolz auf das eigene Schaffen zieht sich – zu Recht – durch jedes Detail. Die Franzosen haben außer gehobenem Mainstream (Boulangerie, Senf ...) vor Ort  wenig zu bieten. Aber eine gute Idee gehabt.

Es gibt Wein aus Italien, es gibt kleine Produzenten, die von den regionalen Pavillons wechselweise eingeladen werden. Alles das kann man auf der Slow Food Messe in Turin alle zwei Jahre besser und in größerer Breite und Tiefe bekommen. Die Zukunft der Welternährung und des Essens, sie sieht nicht gerade so aus, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft.

Ein Expo-Besuch lohnt sich dennoch – wenn man ihn als Anlass nutzt, um sich davor oder danach in Mailand auf den Sommerschlussverkauf von Trussardi, Prada und Kollegen zu konzentrieren oder den längst fälligen Abstecher an den Comer See oder ins sommerliche Piemont zu machen. Ligurien ist auch nicht gerade weit.















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