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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Mittwoch, 17. Juni 2015

Mahlzeit in Mailand

Die elegante Stadt hat wenig vom Flair des alten Italiens. Eleganz ist vorhanden und zwar in großem Stil, aber es ist nicht die trotzige Eleganz des Südens. Und es fehlt natürlich auch die jahrtausende alte Geschichte eines Roms oder Palermos. Es ist die unvergleichliche italienische Eleganz des Reichtums, von dem Mailand geprägt ist. Vom fesselnden „Letzten Abendmahl“ abgesehen, für dessen Besichtigung man sich Tage vorher für eine bestimmte Zeit anmelden muss, gibt es hier weniger Augenfeste als in anderen Städten. 

Die Mailänder Scala ist natürlich immer den Besuch wert. Vor allem für Fans von Alexander Pereira, die von ihm in Salzburg nicht genug kriegen konnten. Dass Mailand kulinarisch uninteressant wäre, kann man nicht behaupten. Welche italienische Stadt wäre das schon? Die Mailänder haben das Geld, um gut zu essen und weil das Angebot da ist, geben sie es auch mit vollen Händen aus. Die Restaurants und Bars der Stadt sind voll, auch am Wochenbeginn.

Gracco Peck
Eines der bekanntesten Sterne-Lokale Mailands ist Gracco Peck nur ein paar Schritte vom imposanten Dom entfernt – ein Starkoch in einem Restaurant, gleich ums Eck von einem der bekanntesten Delikatessengeschäfte Italiens. Bei Peck in Milano Würste, Käse, Trüffel und anderes einkaufen – ein Must. 

Nicht aber das Restaurant. Vielleicht spürt der Instinkt des wachen Auges den kleinen Reinfall, der sich andeutet, als erster: Da ist eine Horde an schlecht gewandeten Serviceleuten - darunter wiederum die Damen bei weitem am elegantesten und das in der Stadt des Stils - Mailand, wo sogar die Polizei in der Innenstadt in gebügelten Armani-Uniformen auftritt. 

Das Restaurant im Sousterrain ein architektonisches Werk aus den Neunzigern, mehrstöckig, leider ohne den bezwingenden Charme eines Tantris. Die Preise sind saftig, besonders bei den Getränken wird ziemlich schamlos in die Brieftasche des Gastes gelangt. Unentschlossen wirkt, was die Küche sich überlegt hat, bereits zum Beginn des Essens . 

Einmal klassisch betuliche Minihappchen zum Apero, dazu getrocknetes Gemüse in einem durchsichtigen Plastikgefäß, recht witzig, sowie knuspriger Reis, Algen und Kräuter nach der Methode japanischer Küche - hier blitzt eine Idee auf. Wie schön, denkt der Gast. Russischer Salat, also drei Erbsen und Mayonnaise in einer knackigen Karamellhülle, ganz nett, detto weisser Spargel mit schwarzen Trüffel, der ein recht voluminöses Aroma hinglegt. Highlight: die roten ligurische Garnelen mit Yuzu und Pistazien aus Sizilien. 

Auffallend, dass die rote Rübe Hochgastronomie selbst in Italien unvermeidlich ist. Großartig die Spaghetti aus Eidotter mit Makrele, Broccolicreme (banal) und bloss einer Nano-scheibe Chili, der eine punktgenaue Schärfe verströmt. Essen mit Spassfaktor - und dann doch ernsthaft in Qualität und Ausführung. Dem Risotto- ohne Risotto geht es in Mailand nicht -  wurde nach den ersten eineinhalb Minuten des Röstens schwarzer Sesam zugefügt, beides wird in einer fast radikalen Knackigkeit serviert, perfekt. Darauf Blüten und Sprossen, ein Pulver von Kräutern (eventuell auch Grünem Tee?), sowie Entenzungen, mehrere Zeilen für einen extrem komplexer Gang und aus praktischer Sicht dazu soviel: Man muss die Gier schon zügeln, dass man nicht alles auf drei Löffelportionsn in sich  reinschaufelt. 

Dann ein kompletter Schwenk in der Stilistik: Lamm vom Rost. Jeder Bissen Irrsinn, eine Antithese zu den Gangen davor. Eh auch , vielleicht wandelt die Küche einfach gerne zwischen den Welten und sieht das als Konzept. Danach aAvocado-Banane-Lakritze, wir dürfen beim Essen die Zähne wieder von ihrer Aufgabe dispensieren. Das nächste Dessert eine unfreiwillige Satire: Mascarpone und rote Rüben , dazu die lächerliche schwarze, parfümiert wirkende Trüffel. Das war’s. Die beste Pointe kommt zum Schluss als der Ober die  Frage, woher der angebotene Grappa (Flaschenaufschrift: Grappa) herkommt, nach kurzem Nachdenken freundlich beantwortet: „Aus Italien.“


Camparino
In der Galeria neben dem Dom finden sich nicht nur einige Flagshipstores italienischer Modekaiser. Man kann dort auch recht gut mit einem guten Aperitif pausieren. Sehr stilvoll und mailändisch tut man das im Camparino, wo sie einen Campari-Soda so hinkriegen, als würde im Hintergrund ein Adria-Schüler mixen. Geniale Temperatur, perfekter Mix, kleine Crema wie bei einem gut gemachten Café. Das Lokal gilt als Aushängeschild des Campari-Konzerns, der es vor einigen Jahren um nicht wenig Geld gekauft hat. Aber wie gesagt: Geld ist nicht das Thema in Mailand.

Savini
Das kriegt man auch beim Blick in die Speisenkarte des legendäten Savini mit, einem Kult-Lokal ein paar Schritte weiter vom Camparino entfernt und nur wer vorher schon ein halbes Dutzend Aperitifs hatte oder mehrere Ölfelder sein eigen nennt, wird die Preise des Savini mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nehmen. Und sich weder über das bestenfalls brave Essen und den langsamen Service ereifern.

Papermoon
Wer wach und gut informiert ist, hat ohnehin seinen Tisch im Papermoon gebucht. Eine lustige Vereinigung von Restaurants in mehreren Städten. Doch die Mailänder Ausgabe vermittelt den Eindruck, immer schon hier gewesen zu sein und war das wohl auch. Hier ist der entspannte Wohlstand einer Gesellschaft zu spüren, der weder Protz noch Catwalk braucht. Die Servicemannschaft ist blendend disponiert und sogar die Crissini haben große Klasse – sie kommen von einem Bäcker am Land, wie uns der Chefober versichert. 

An den Nebentischen Habitués aus der Gegend, die sich auch mit dem Glas und einem Teller Pasta zufrieden geben. Man übertreibt es nicht. Phantastisch ein Salat aus dick geschnittenen, rohen Artischocken mit Parmesan. Spaghetti mit wolkenartigen Scheiben von der Bottarga vergisst nicht so schnell, wer sie einmal gehabt hat. Die Fische sind, wie in Mailand üblich, wunderbar. Danach eine Torte mit Apfel und viel Aroma. 

Die Weine im Papermoon sind gut ausgesucht, die Preise kulant. In Mailand gibt es viele reizvolle Adressen, aber wenige, bei denen alles so zu stimmen scheint wie hier. Ein Restaurant, das vor allem einem Anspruch genügt: Man will beim nächsten Mal in Mailand wieder kommen und das liegt nicht nur an den Preisen, die nachgerade liebenswürdig günstig sind. Molto gentile.

Larte
An schicken und neuen Adressen mangelt es der Stadt nicht gerade. Eine sei Pars pro toto erwähnt und zwar das Konzept-Restaurant, das den Namen Larte trägt, der gleichzeitig Botschaft und Programm ist. Mag sein, dass mancher Gast des Miteinanders von Design, Shop, Bar und Restaurant schon ein wenig überdrüssig ist. Dennoch muss gesagt werden, dass der Service und die Küche den Besuch lohnen. Planen Sie einen Lunch ein, das Stadtzentrum ist nur ein paar Schritte entfernt. Es gibt schickes Essen mit ausgesuchten Zutaten. 

Perfekt nahezu die Kleinigkeiten zum Aperitif, sehr gut eine mit viel Grün versehene Vorspeise mit Thunfisch, sehr gut dann wiederum die Tortellini mit Paradeiser und Ricotta, ein Gruß aus dem Süden in den Norden Italiens. Eine klumpige Schokoladenkugel als Dolce ist den Versuch eher weniger wert.



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