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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Samstag, 11. Juli 2015

Kein Küchen-Benjamin

Benny Parth kennt alles, weiß alles, war schon überall. Obwohl er erst 27 Jahre alt ist und noch jünger aussieht  - das macht die Bewegung in der Paznauner Bergluft - hat er schon einiges gesehen und geschmeckt auf der Welt. Vor allem abgeschmeckt hat er, unter anderem in der Küche bei Heinz Winkler, der als Ausnahmekoch in Saucen-Angelegenheiten gilt.

Wer also ins Paznaun pilgert, vielleicht um am kulinarischen Jacobsweg auf vier Berghütten von Sterne- und Haubenköchen entworfene elegant-alpine Stärkungen entgegenzunehmen, sollte den Besuch im "Stüva", dem Restaurant des liebenswert familiär geführten Hotels Yscla dringend in Erwägung ziehen. Bei Benjamin Parth isst man durchaus nicht im Vorübergehen.

Die Menüs - und nur solche werden angeboten - sind komplex ineinander verwobene Kompositionen, spannend im Aufbau, durchwegs fordernd in ihrer Darbietung. Als kleinen Begrüßungshappen serviert Benny Parth eine kleine, blau gekochte Forelle (weiß der Teufel, wo er diese Dinger herkriegt und nicht einmal der Teufel will es vermutlich wissen) mit heißer Butter und einem hochgebutterten Kartoffelpüree und nicht nur dieses Püree ist, was mich bei diesem Gang an Robuchons Atelier in Paris erinnert und kurz freudig ausflippen lässt. Die Forelle wird es anderntags noch einmal geben - mit einer perfekt gemachten Champagnersauce und Kräutern und winzig geschnittenem Chili. Auch das ein außergewöhnlich packender Teller.

Parth ist Purist und es gibt wenige Restaurants auf diesem Niveau, die sich dem Gast so nackt präsentieren.  In den "Stüva" ist nichts außer Holz (Tisch), Glas (Wein) , Licht (klar) und Stoff (Servietten). Dafür fesselt, was in schmucklosen, aber spür- und sichtbar teuren Tellern auf den Tisch kommt, umso mehr die Aufmerksamkeit.

Ein Thunfischtatar mit Kaviar und Zitrusschaum kann man nicht so nebenbei essen, gleiches gilt für eine perfekt konsistente Tomatenmousse, ebenfalls durchaus mutig mit Kaviar (Grüll, Salzburg) kombiniert. Ein Hucken-Carpaccio plus Tatar erscheint neben diesen beiden Atombomben vergleichsweise etwas blass, vielleicht auch sogar erholsam, denn gleich geht es mit einer Consommé mit Langostino-Dim-Sum weiter. Natürlich muss man gut sein, um das hauchdünne Teigtascherl so zu timen, dass das Schalentier nicht zu viel Hitze abbekommt. Konzentriertes Löffeln, zustimmendes Nicken am Tisch.

Die Curry-Sauce, die zu den Flußkrebsen kommt, ist große, klassische Schule und auch hier wieder beeindruckt Benny Parth, indem die Sauce keine Spur von Butter oder Gewürz zuviel abbekommen hat, einfach der gerade, der ideale Weg. Ein winziges Stück Gänseleber mit Kirsche und einer an der Grenze zur Süße nur in Millimetern entfernt vorbeigekochten Sauce, wieder andächtiges Löffeln. Dann gibt es Rind, das vor den Augen des Gastes fast zerfällt, so zart und mürb ist es. Das Rind kommt in Begleitung von in einer Sauce pochierten Markscheibe und einer gefährlich und gleichzeitig köstlichen winzigen Erdäpfel-Butter-Burg.

Am nächsten Tag macht die Küche Kalb von einem Bauern aus dem Nachbarort, das Filet und es schmeckt so überzeugend gut, dass man versteht, weshalb die Küchenchefs von Niederösterreich (Dorfer) bis München (Haas) nach dem Kalb aus Tirol gieren. Besseres scheint es nicht zu geben. Besser kann man das zarte Zeug aber auch nicht zubereiten. Ach ja: Da war noch ein Lammbeuschel, das klassische Rezept intelligent verfremdet, indem es in einer würzig-intensiven Suppe serviert wird. Sehr gut. Fordernd durchaus.

Der Käse kommt von Bernhard Antony, dem Affineur-Genie. Wie überhaupt sich Benny Parth um Regionalismus wenig schert. Hummer für die Gäste? Warum nicht. Rind von Otto-Gourmet? Aber sicher. Kirschen aus Kalifornien? Wenn sie besser sind, gerne.

Bei den Desserts wird dann ganz das Kosmopolitentum zeitgemäßer Patisserie aufgetischt. Hier spielt gerade Matcha ebenso eine Rolle wie das Nebeneinander von Knusprig, Gefroren und Getrocknet. Doch Achtung: Wer glaubt, dass dieser Koch nicht auch ein Topfensoufflé im Idealzustand hinkriegt und dazu die perfekte Passionsfruchtsauce serviert, kann sich im "Stüva" eines besseren belehren lassen.

Alfons Parth, weitgereister Gourmet, Hotelier und Initiator des Jacobswegs, hat sich für eine Weinkarte ein paar schöne Flaschen nach Ischgl bringen lassen. Er hat ein gutes Verhältnis zu den Weinen von Roland Velich. Das spricht für einen guten Geschmack und die Idee, noch eine weitere Flasche zu trinken.

Bei gutem Wetter, also mit etwas Glück, auch auf der wunderbaren Terrasse des "Yscla", die dieses Jahr vermutlich mit einem Rekord an Wärmestunden aufwarten kann, was zum langen Hockenbleiben verlockt. Das kann man hier auch problemlos:  Im Hotel warten nach Holz duftende, mit allem Komfort eingerichtete Zimmer. Einer der liebenswertesten Familienbetriebe im Ort, zweifellos.